7. unveröffentlicht

Es sei $\mathcal{K} $ ein Kreis mit dem Mittelpunkt $M$. Eine Isometrie $f$ ist genau dann eine Symmetrie des Kreises, wenn $M$ ein Fixpunkt von $f$ ist. Die Symmetrien des Kreises sind also die Drehungen um $M$ und die Spieglungen an Geraden durch $M$.

Es seien $A$ und $B$ zwei Punkte auf dem Kreis. Es ist anschaulich hilfreich, wenn man sich den kleineren Bogen $\overset{\frown}{AB}$ als Winkel vorstellt. Deshalb definieren wir
$$
\overset{\frown}{AB} = \angle AMB
$$ Die Strecke $\overline{AB}$ nennt man eine Sehne. Zwei Sehnen $\overline{AB}$ und $\overline{A'B'}$ sind genau dann gleich lang, wenn die entsprechenden Bögen gleich groß sind:
$$
\overset{\frown}{AB} = \overset{\frown}{A'B'}
$$ Das folgt aus den Kongruenzsätzen.

Die Mittelsenkrechte zu einer Sehne $\overline{AB}$ des Kreises verläuft durch den Mittelpunkt $M$, da die Punkte $A$ und $B$ von $M$ den gleichen Abstand haben.

Proposition 6.1. Es seien $A$ und $B$ zwei Punkte des Kreises $\mathcal{K}$. Dann gibt es genau eine Drehsymmetrie $\sigma$ mit $\sigma (A) = B$. Es seien $A,B$ und $A'B'$ zwei Punktepaare, so dass $$\label{Kreis0e}
\overset{\frown}{AB} = \overset{\frown}{A'B'}.
$$ Dann gibt es genau eine Symmetrie $\sigma$ des Kreises mit $\sigma(A)= A'$ und $\sigma (B) = B'$.

Beweis. Die erste Aussage ist klar. Die zweite folgt aus dem Kongruenzsatz SWS für die Dreiecke $AMB$ und $A'MB'$.
qed.

Proposition 6.2. Es seien $\overline{AA'}$ und $\overline{BB'}$ zwei parallele Sehnen des Kreises. Dann hat man gleiche Bögen: \begin{equation}\label{Kreis1e}
\overset{\frown}{AB} = \overset{\frown}{A'B'}
\end{equation} Umgekehrt seien zwei Sehnen $\overline{AA'}$ und $\overline{BB'}$ gegeben, derart, dass (\ref{Kreis1e}) gilt. Dann gilt
\begin{equation}\label{Kreis2e}
AA'\parallel BB' \quad \text{oder} \quad AB'\parallel A'B.
\end{equation}

Beweis. Zur ersten Behauptung: Die Mittelsenkrechten der beiden
Sehnen $\overline{AA'}$ und $\overline{BB'}$ fallen zusammen. Es sei
$\sigma$ die Spieglung an dieser Mittelsenkrechten. Dann gilt:
$$
\angle AMB = \angle \sigma(A)\sigma(M)\sigma(B) = \angle A'MB'.
$$

Umgekehrt sei (\ref{Kreis1e}) erf\"ullt. Dann
findet man eine Symmetrie $\sigma$ des Kreises mit $\sigma (A) = A'$
und $\sigma (B) = B'$. Wenn $\sigma$ eine Spieglung ist, so gilt
$AA'\parallel BB'$.

Sonst betrachte man die Spieglung $\tau$ um die Mittelsenkrechte von
$\overline{A'B'}$. Dann ist $\rho = \tau \circ \sigma$ eine Spieglung
mit $\rho (A) = B'$ und $\rho (B) = A'$. In diesem Fall gilt
$AB'\parallel A'B$. Nat\"urlich gibt es F\"alle, wo in
(\ref{Kreis2e}) beide Relationen gelten.
qed.

Korollar 6.3.
Wenn in einem Kreisviereck $AA'B'B$ die B\"ogen (\ref{Kreis1e}) gleich
sind, so sind die gegen\"uberliegenden Seiten $AA'$ und $BB'$
parallel.

Beweis. Da sich die Diagonalen $AB'$ und $A'B$ des Vierecks
schneiden, muss in (\ref{Kreis2e}) der erste Fall vorliegen.
qed.

Wir k\"onnen den Satz des Thales wie folgt reformulieren:
Proposition.
Es seien $ABC$ drei verschiedene Punkte auf einem Kreis. Die Strecke
$\overline{AB}$ ist genau dann ein Durchmesser, wenn
$$
\angle ACB = 90^{o}.
$$

Der Haupsatz \"uber den Kreis ist der Satz vom
\emph{Sehnentangentenwinkel}:

Proposition.\label{SeTang}
Es sei $\overline{AB}$ eine Sehne in einem Kreis. Es sei $X\ne B$ ein
Punkt auf der Tangente im Punkt $B$. Es sei $C$ ein Punkt auf dem
Kreis, der verschieden von $A$ und $B$ ist, und so dass $X$ und $C$
auf verschiedenen Seiten der Geraden $AB$ liegen. Dann gilt
$$\sphericalangle XBA=\sphericalangle BCA.$$

Korollar.\label{SeTangCor}
Es seien $C$ und $C'$ zwei Punkte des Kreises, die auf verschiedenen
Seiten der Sehne $\overline{AB}$ liegen. Dann gilt
$$
\sphericalangle ACB + \sphericalangle BC'A = 180^{\circ}.
$$

Daraus folgt der \emph{Satz vom Peripheriewinkel} und der \emph{Satz von
Zentriwinkel}. Ein Spezialfall ist der \emph{Satz des Thales}.

Proposition. (Peripheriewinkel): \newline
Es sei $\overline{AB}$ eine Sehne im Kreis. Wir w\"ahlen einen der B\"ogen
$\mathcal{B}$, der von $A$ nach $B$ verla\"uft (nicht notwendig den
kleineren). Dann gilt f\"ur zwei Punkte $P,Q \in \mathcal{B}$, die von
$A$ und $B$ verschieden sind, dass
$$
\sphericalangle APB = \sphericalangle AQP.
$$

Es sei $R$ ein weiterer Punkt auf der gleichen Seite der Sehne $AB$
wie der Bogen $\mathcal{B}$. Es sei
$$
\angle APB = \angle ARB.
$$
Dann liegt $R$ auf dem Bogen $\mathcal{B}$.

Beweis. Wir beweisen nur die letzte Aussage.
Die Gerade $AR$ oder $BR$ trifft den Kreis in einem
Punkt $Q$, der von $A$ und $B$ verschieden ist. Wir k\"onnen annehmen,
dass $A$, $Q$ und $R$ auf einer Geraden liegen. Dann stimmen die
Dreiecke $AQB$ und $ARB$ in zwei Winkeln und in einer Seite
\"uberein. Nach dem Kongruenzsatz folgt, dass $|AQ| = |AR|$. Damit
m\"ussen die Punkte $Q$ und $R$ \"ubereinstimmen.
qed.

\smallskip

Korollar.
Es seien $\overline{AB}$ und $\overline{A'B'}$ zwei Sehnen
des Kreises $\mathcal{K}$. Es sei $P$ ein Punkt auf dem gr\"o{\ss}eren
(bzw. kleineren) Bogen \"uber $\overline{AB}$, und es sei $P'$ ein
Punkt auf dem gr\"o{\ss}eren (bzw. kleineren) Bogen \"uber
$\overline{A'B'}$.

Dann gilt $|AB| = |A'B'|$, genau dann wenn
$$
\angle APB = \angle A'P'B'.
$$

Beweis. Wenn die Seiten gleich lang sind, so findet man eine
Symmetrie, die eine Sehne auf die andere abbildet. Die Behauptung
folgt dann aus dem Peripheriewinkelsatz.

Umgekehrt seien die Winkel gleich. Nach dem Korollar zum
Peripheriewinkelsatz kann man annehmen, dass die Punkte $P$ und $P'$
auf den gleichen Seiten der Sehnen liegen, wie der Mittelpunkt $M$ des
Kreises. Man verbindet $A$ mit $M$ und erh\"alt einen weiteren Punkt
$P_1$ auf dem gr\"o{\ss}eren Bogen \"uber $\overline{AB}$. Dann ist
$AP_1B$ ein Dreieck mit einem rechten Winkel in $B$ und es gilt:
$$
\angle APB = \angle AP_1B.
$$
Eine analoge Konstruktion f\"uhrt zu einem rechtwinkligen Dreieck
$A'P'_1B'$. Dann sind die Dreiecke $AP_1B$ und $A'P_1'B'$ kongruent
und damit sind die Sehnen gleich lang.
qed.

Proposition. (vom Zentriwinkel)
Es sei $\overline{AB}$ eine Sehne in einem Kreis $\mathcal{K}$. Es sei
$C \in \mathcal{K}$ ein Punkt der auf der gleichen Seite der Geraden
$AB$ liegt wie der Mittelpunkt $M$ von $\mathcal{K}$. Der Punkt $C$
sei verschieden von $A$ und $B$. Dann gilt:

$$
2 \sphericalangle ACB = \sphericalangle AMB
$$

Ein Gerade trifft einen Kreis in $0$, $1$, oder $2$ Punkten. Wenn es
genau einen Schnittpunkt gibt, hei{\ss}t die Gerade Tangente und der
Schnittpunkt der Ber\"uhrungspunkt. Die Tangente steht senkrecht auf
dem Radius in ihrem Ber\"uhrungspunkt.

Der \emph{Umkreis} eines Dreiecks:
Durch drei Punkte $A,B,C$ die nicht auf einer Geraden liegen geht ein
Kreis. (Konstruktion) Das ist der Umkreis des Dreiecks $ABC$.

\smallskip

Es sei $w_A$ die Winkelhalbierende durch den Punkt $A$. Dann halbiert
der Schnittpunkt $A'$ von $w_A$ mit dem Umkreis den Bogen
$\overset{\frown}{BC}$ auf dem
Umkreis. Analog finden wir die Punkte $ B'$, und $C'$. Die
H\"ohen von $A'B'C'$ fallen mit den Winkelhalbierenden von $ABC$
zusammen. Wir nennen $A'B'C'$ das \emph{Zwillingsdreieck} von $ABC$.

Wenn $A'B'C'$ ein Dreieck ist und $A,B,C$ die weiteren Schnittpunkte
der drei H\"ohen mit dem Umkreis, so ist $A'B'C'$ das
Zwillingsdreieck von $ABC$.

Die H\"ohen und die Winkelhalbierenden eines Dreiecks schneiden sich
in einem Punkt. Der Schnittpunkt der Winkelhalbierenden ist der
Mittelpunkt des \emph{Inkreises}.

Proposition.(Pythagoras) \;
Es sei $ABC$ ein rechtwinkliges Dreieck mit der Hypothennse $c=|AB|$,
und den Katheten $a=|BC|$ und $b=|AC|$.Dann gilt:
$$c^2=a^2+b^2\qquad \mbox{(Beweis)}$$

Es sei $\alpha=\angle BAC$ und $\beta=\angle ABC$. Dann gilt:
$$\sin\alpha=\frac a c, \quad \cos \alpha=\frac b c.$$
$$\sin^2\alpha+\cos^2\alpha=1$$
$$\sin\alpha=\cos(90-\alpha)=\cos\beta.$$

Proposition. (Sinussatz) \;
Es sei $ABC$ ein Dreieck und $d$ der Durchmesser seines Umkreises. Es
sei $\alpha = \angle BAC$ und es sei $a = |BC|$. Dann gilt
$$
\sin \alpha = a/d
$$

Aufgabe: Man finde den Umkreis des Dreiecks $ABC$, wenn die Seite
$\overline{BC}$ und die Gr\"o{\ss}e des Winkels $\alpha $ gegeben
ist.

Korollar.
Es seien $\alpha$, $\beta$, $\gamma$ die Winkel des Dreiecks $ABC$. Es
gilt:
$$
\sin\gamma = \sin\alpha \cos\beta + \sin\beta \cos\alpha.
$$

(Beweis)

Bemerkung: Nach der Definition von $\sin$ gilt: $\sin\gamma =
\sin(\alpha + \beta)$.

\smallskip

{\bf Der Apolloniuskreis}:
Es sei $\overline{AB}$ eine Strecke. Es sei $C$ ein Punkt der Strecke,
der von den Punkten $A$ und $B$ verschieden ist und der nicht der
Mittelpunkt der Strecke ist.

Proposition.
Der geometrische Ort aller Punkte $S$, so dass $SC$ die
Winkelhalbierende des Winkels $\angle ASB$ ist, ist ein Kreis.
Er hei{\ss}t Apolloniuskreis des Teilungspunktes $C \in
AB$.

Beweis. Es sei $D$ der Punkt der Geraden $AB$ mit der Eigenschaft,
dass $ABCD$ harmonisch liegen. Dann liegt nach Satz \ref{Apolllemma}
jeder Punkt $S$ des definierten geometrischen Ortes auf dem
Thaleskreis \"uber $AC$.
qed.

\smallskip

Mit Hilfe des Apolloniuskreises kann man das so formulieren:
Der Apolloniuskreis geht durch $C$ und hat seinen Mittelpunkt auf der
Geraden $AB$. Es sei $D$ der zweite Schnittpunkt von $AB$ mit dem
Apolloniuskreis. Dann liegen die Punkte $A,B,C,D$ harmonisch. Also ist
der Apolloniuskreis der Thaleskreis \"uber $CD$.

Man kann den Satz vom Apolloniuskreis umformulieren:

Proposition.
Es sei $\lambda > 0$, $\lambda \neq 1$ eine reelle Zahl. Es sei
$\overline{AB}$ eine Strecke.

Der geometrische Ort aller Punkte $S$, so dass
$$
|SA| = \lambda |SB|
$$
ist ein Kreis, dessen Mittelpunkt auf der Geraden $AB$ liegt. Es seien
$C,D$ die Schnittpunkte des Kreises mit der Geraden $AB$. Dann liegen
die Punkte $A,B,C,D$ harmonisch.

Beispiel: Man konstruiere ein Dreieck aus dem Seitenverh\"altnis $a :
b$, der Seite $c$ und seiner H\"ohe $h_c$ auf der Seite $c$.

Definition.
Es sei $\mathcal{K}$ ein Kreis und $P$ ein Punkt au{\ss}erhalb von
$\mathcal{K}$. Die Polare zu $P$ ist die Gerade, die die
Ber\"uhrungspunkte der Tangenten von $P$ an den Kreis verbindet.

Lemma.
Die Bezeichnungen seien wie in der letzten Definition. Wir verbinden
$P$ mit dem Mittelpunkt $M$ des Kreises. Die Gerade $PM$ schneide den
Kreis in den Punkten $C$ und $D$. Es sei $F$ der Schnittpunkt der
Polare mit dem Durchmesser $\overline{CD}$. Dann liegen die Punkte
$P,F,C,D$ harmonisch.

Beweis.(siehe Figur Polare 1): Wir legen von $P$ eine Tangente an den
Kreis. Sie ber\"uhrt
den Kreis in einem Punkt $T$, der auf der Polare liegt. Mit dem Satz
vom Sehnentangentenwinkel sieht man, dass die Winkel
$$
\angle PTC \quad \text{und} \quad \angle CTF,
$$
jeweils gleich dem Winkel $\angle TDF$ sind. Das Apolloniuslemma (Satz
\ref{Apolllemma}) angewendet auf das Dreieck $PTF$ zeigt die
Behauptung.
qed.

Proposition. (Steiner): Es sei $g$ eine Gerade durch $P$, die den Kreis
$\mathcal{K}$ in zwei Punkten $A$ und $B$ schneidet. Es sei $P'$ der
Schnittpunkt von $g$ mit der Polare zu $P$. Dann liegen die Punkte
$ABPP'$ harmonisch.

Beweis. (Figur Polare 2): Wir verbinden $P$ mit dem Mittelpunkt und
erhalten wie im
letzten Lemma den Durchmesser $CD$. Wir betrachten das vollst\"andige
Vierseit $AC$, $AD$, $BC$, $BD$. Es hat neben den Eckpunkten $A,B,C,D$
noch die Eckpunkte $S$ und $S'$. Wir betrachten die Diagonale $s =
SS'$. Wir bezeichen mit $F$ den Schnittpunkt von $s$ mit der
Diagonale $CD$ und mit $P'$ den Schnittpunkt von $s$ mit der Diagonale
$AB$. Wir werden sehen, dass dies der gleiche Punkt ist, von dem im
Satz die Rede ist.

Wenn man den Satz vom vollst\"andigen Vierseit auf die
Diagonalen $AB$ und $CD$ anwendet, folgt dass die folgenden Punkte
harmonisch liegen:
$$
A,B,P,P' \quad \text{und} \quad C,D,P,F.
$$
Nun zeigt das Lemma, dass die Polare zu $P$ die Senkrechte zu $CD$ im
Punkte $F$ ist.

Andererseits ist nach dem Satz \"uber den H\"ohenschnittpunkt im
Dreieck $CSD$ die Gerade $SF$ eine H\"ohe, denn sie geht durch den
Schnittpunkt $S'$ der beiden H\"ohen $CB$ und $DA$. Damit ist $SF$
die Polare zu $P$. Also liegt $P'$ auf der Polare zu $P$ und ist damit
der Punkt von dem im Satz die Rede ist.
qed.

{\bf Grundkonstruktionen}

In der Klausur k\"onnen die folgenden Konstruktionen ohne Erkl\"arung
verwendet werden. Man darf sie auch mit anderen Hilfsmitteln als
Zirkel und Lineal durchf\"uhren.

\smallskip

  • Das Lot von einem Punkt auf eine Gerade f\"allen oder in einem Punkt
    der Geraden die Senkrechte errichten.
  • Die Mittelsenkrechte oder den Mittelpunkt einer Strecke konstruieren.
  • Die Winkelhalbierende konstruieren.
  • Durch einen Punkt au{\ss}erhalb einer Geraden die Parallele
    zeichnen (Parallelverschiebung).
  • Zu einer Strecke den Kreis zeichnen, der diese Strecke als
    Durchmesser hat (Thaleskreis).
  • Einen Winkel abtragen.
  • Eine Strecke abtragen.

Zu erkl\"aren:

Einschr\"ankung einer Abbildung.

bijektiv

parallel = zwei Geraden schneiden sich nicht oder fallen zusammen.

\end{document}

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