Definition. Sei $M\subset V$ Teilmenge eines Vektorraumes über $K$. Die lineare Hülle von $M$ $$
\langle M\rangle\colon=\{k_1 m_1 +\ldots+k_n m_n\; | \;
n\in \mathbb{N}, k_i \in K, m_i \in M\}\subset V
$$ ist die Menge aller Linearkombinationen von Elementen von $M$.
Die lineare Hülle $\langle M\rangle $ ist abgeschlossen gegenüber Addition und Multiplikation mit Skalaren, also ein Untervektorraum. Es ist der kleinste Untervektorraum, der $M$ enthält. Man kann die lineare Hülle alternativ darstellen als den Durchschnitt $$
\langle M\rangle=\bigcap_{U\supset M}U.
$$ aller Untervektorräume $U\subset V$, die $M$ enthalten. Man nennt $\langle M\rangle$ auch den von $M$ erzeugten oder aufgespannten Untervektorraum. Man nennt $M$ ein Erzeugendensystem, falls gilt $\langle M\rangle =V$. Die Menge $M$ darf hier durchaus unendlich sein, jedoch ist jede Linearkombination eine endliche Summe.
Bemerkungen.
- Sind $U_1$ und $U_2$ Untervektorräume eines Vektoraums $V$, so ist $U_1\cap U_2$ ein Untervektorraum. Allgemein ist der Durchschnitt $\bigcap_{j\in J}U_j$ einer beliebigen Familie $(U_j\;\vert\; j\in J)$ von Unterräumen wieder ein Unterraum.
- Die Vereinigung $U_1\cup U_2$ von Unterräumen $U_j\subset V$ eines Vektorraumes $V$ ist im Allgemeinen kein Untervektorraum. Der von Unterräumen $U_j, j\in J$ erzeugte Unterraum $\langle \bigcup_{j\in J} U_j \rangle\subset V$ wird Summe $\sum_{j\in J}U_j$ genannt und besteht aus der Menge aller Vektoren der Form $\sum_{j\in J} u_j$, wo $u_j\in U_j$ ist und nur endlich viele der $u_j$ nicht der Nullvektor sind. Die Summe zweier Untervektorräume wird auch mit $U_1+U_2$ bezeichnet.
Proposition. Sei $M\subset V$ eine Teilmenge eines Vektorraumes. Die Menge $M$ ist genau dann linear unabhängig, wenn für jedes $m\in M$ gilt $m\notin \langle M\setminus\{m\}\rangle$. Eine Menge ist somit genau dann linear abhängig, wenn mindestens eines ihrer Elemente als Linearkombination der restlichen dargestellt werden kann.
Beweis. Ist $M$ linear abhängig, so gibt es eine Relation $k_1 m_1+\ldots+k_n m_n=0$ für Elemente $m_1,\ldots ,m_r\in M$, in der mindestens ein Koeffizient, sagen wir mal $k_1$, nicht Null ist. Dann ist $$m_1=-\frac1{k_1}(k_2 m_2+\ldots +k_n m_n)$$ Linearkombination der restlichen Elemente, also $m_1\in \langle M\setminus\{m_1\}\rangle$.
Ist, umgekehrt, $m\in \langle M\setminus\{m\}\rangle$, so läßt sich $m$ als Linearkombination von Elementen $m_1, \ldots, m_n\in M$ darstellen, also $m=k_1 m_1+\ldots _n m_n$. Wir bekommen daraus eine Darstellung des Nullvektors $$(-1 )m +k_1 m_1+\ldots k_n m_n=0,$$ in der nicht alle Koeffizienten verschwinden. Die Elemente $m, m_1,\ldots, m_n\in M$ sind folglich linear abhängig und damit auch die Menge $M$.
qed
Definition. Eine Teilmenge $B\subset V$ eines Vektorraumes über $K$ heißt Basis von $V$, wenn $B$ linear unabhängig ist und $V$ erzeugt.
Beispiele.
- Der Standard-Einheitsvektor $e_i\in K^n$ hat an der $i$-ten Stelle eine $1$ und sonst überall Nullen. Die Einheitsvektoren $\{e_1,\ldots,e_n\}$ bilden eine Basis von $K^n$.
- Die Monome $\{1,X,X^2,X^3,\ldots,\}$ bilden auf gleiche Weise eine Basis von $K[X]$.
Satz. Seien Teilmengen $M\subset S\subset V$ derart gegeben, dass $M$ linear unabhängig und $S$ ein Erzeugendensystem von $V$ sind. Dann gibt es eine Basis $B$ von $V$ mit der Eigenschaft $M\subset B\subset S$. Insbesondere besitzt jeder Vektorraum eine Basis.
Beweis. Wir beweisen den Satz nur für den Fall, dass $S$ endlich ist. Das reicht für die meisten Anwendungen und erspart einen genaueren Blick in die Mengenlehre.
Unter allen linear unabhängigen Teilmengen $X$ von $V$ mit $M\subset X\subset S$ wählen wir uns eine maximale $B$, z.B. eine mit maximaler Anzahl von Elementen. Wir werden zeigen, dass $B$ ein Erzeugendensystem ist.
Ist $B=S$, so bleibt nichts zu zeigen. Andernfalls gibt es ein Element $s\in S\setminus B$. Da $B$ maximal gewählt war, ist $B\cup\{s\}$ linear abhängig. Es gibt also eine lineare Relation $$k s+k_1 b_1+\ldots +k_n b_n=0$$ mit $b_1,\ldots,b_n\in B$, in der nicht alle Koeffizienten gleich Null sind. Wäre $k=0$, so würde aus der linearen Unabhängigkeit von $B$ folgen, dass alle $k_j=0$ sind. Also ist $s=-k^{-1}(k_1 b_1+ \ldots +k_n b_n)$ in dem von $B$ erzeugten Unterraum enthalten. Somit gilt $S\subset \langle B\rangle$. Es folgt $V=\langle S\rangle\subset \langle B\rangle\subset V$ und damit $\langle B\rangle=V$.
qed
In diesem Beweis wurde die Endlichkeit der Menge $S$ nur dazu benutzt, die Existenz einer maximalen Menge $B$ sicherzustellen. Ein Axiom der Mengenlehre, etwa das sogenannte Zornsche Lemma, besagt, dass dies immer der Fall ist.
Im Allgemeinen gibt es viele Basen. Der erste Teil des nächsten Satzes folgt aus dem vorhergehenden (mit $M=\emptyset$).
Satz. (Basis-Satz) Ist ein Vektorraum von einer endlichen Menge erzeugt, so besitzt er eine endliche Basis. Je zwei Basen sind gleich mächtig.
Die Mächtigkeit $|M|$ bezeichnet bei einer endlichen Menge $M$ die Anzahl der Elemente. Zum Beweis des zweiten Teils benutzen wir den Austauschsatz von Steinitz:
Satz. Ist $M$ eine endliche linear unabhängige Menge in $V$ und $S$ ein endliches Erzeugendensystem. Dann gilt $|M|\leq |S|$. Außerdem lässt sich $M$ durch $|S|-|M|$ Elemente aus $S$ zu einem Erzeugendensystem von $V$ ergänzen.
Beweis des Basis-Satzes. Sind $A$ und $B$ Basen, so besagt der Austauschsatz von Steinitz $|A|\leq |B|$, da $A$ linear unabhängig und $B$ ein Erzeugendensystem ist. Genauso besagt der Satz aber auch $|B|\leq |A|$, da $B$ linear unabhängig und $A$ ein Erzeugendensystem ist. Folglich gilt $|A|=|B|$.
qed
Beweis des Austauschsatzes. Der Satz wird durch Induktion nach $|M|$ bewiesen.
Im Induktionsanfang $|M|=0$ ist $M=\emptyset$ die leere Menge. Hier ist nichts zu beweisen.
Im Induktionsschritt ist $|M|>0$ und $m\in M$. Die Menge $M'=M\setminus \{m\}$ ist linear unabhängig und nach Induktionsvoraussetzung können wir $M'$ durch eine Teilmenge $N'$ von $S$ mit $|N'|=|S|-|M'|=(|S|-|M|)+1$ Elementen zu einem Erzeugendensystem $M'\cup N'$ ergänzen. Der Vektor $m$ ist eine Linearkombination von $M'\cup N'$, aber nicht von $M'$. Eine lineare Darstellung von $m$ durch $M'\cup N'$ enthält folglich einen Vektor $n'\in N'$ mit einem nichtverschwindendem skalaren Koeffizienten. Also ist auch $n'$ in der linearen Hülle von $\left(M'\cup{m}\right)\cup \left(N'\setminus\{n'\}\right)=M\cup N$. Da $M\cup N'$ ein Erzeugendensystem ist, so auch $M\cup N$.
qed
Definition. Sei $V$ ein $K$-Vektorraum. Gibt es eine endliche Basis von $V$, so ist die Dimension $\dim(V)$ von $V$ die Anzahl der Elemente einer solchen Basis. Gibt es keine endliche Basis, so setzt man $\dim(V)=\infty$.
Das Symbol $\infty$ steht für eine Zahl mit den Eigenschaften: Für alle $n\in\mathbb{Z}$ ist $n < \infty$ und es gilt $\infty+\infty=\infty+n=n+\infty=\infty$.
Satz. Sind $U_1$ und $U_2$ Unterräume eines Vektorraumes. Dann gilt die Dimensionsformel $$\dim U_1+\dim U_2=\dim(U_1+U_2)+\dim(U_1\cap U_2).$$
Beweis. Es bezeichne $U_0=U_1\cap U_2$ und $U=U_1+U_2$.
Im ersten Fall ist eine der auftretenden Dimensionen unendlich. Ist $U_1$ oder $U_2$ unendlich dimensional, so kann man in diesem eine unendliche, linear unabhängige Menge finden. Diese ist dann auch linear unabhängig in $U$. Damit ist $U$ unendlich dimensional. Das gleiche Argument zeigt: Ist $U_0$ unendlich dimensional, so auch $U_1$ und $U_2$. Sind dagegen $U_1$ und $U_2$ jeweils endlich dimensional, so besitzen beide endliche Basen. Die Vereinigungsmenge dieser Basen ist endlich und erzeugt die Menge $U$, die nach dem Basissatz also endlich dimensional ist. Damit ist der Satz für den Fall bewiesen, in dem eine der auftretenden Größen gleich $\infty$ ist.
Es bleibt noch der Fall zu betrachten, in dem alle auftretenden Dimensionen endlich sind. Wir starten mit einer Basis $B_0$ von $U_0$. Gemäß dem Austauschsatz können wir $B_0$ zu einer Basis $B_2$ von $U_2$ ergänzen. Wiederum nach dem Austauschsatz kann $B_2$ durch eine Menge $\tilde B_1$ linear unabhängiger Vektoren in $U_1$ zu einer Basis $B=B_2\dot{\cup}\tilde{B}_1$ von $U$ ergänzt werden.
Wir zeigen: $B_1=B_0\dot{\cup}\tilde{B}_1$ ist eine Basis von $U_1$. Als Teilmenge der Basis $B$ ist $B_1$ linear unabhängig. Da $B_0$ und $\tilde{B}_1$ in $U_1$ enthalten sind, gilt für die lineare Hülle $\langle B_1\rangle\subset U_1$. Es reicht also zu zeigen, dass $B_1$ den Untervektorraum $U_1$ erzeugt. Wir können jeden Vektor $u\in U_1$ eindeutig als Linearkombination $$ u= \sum_{b\in B_1}k_bb+\sum_{b'\in (B\setminus B_1)}k_{b'}b' =u_1+u_2 $$ von Basisvektoren in $B_1$ und Basisvektoren im Komplement $(B\setminus B_1)\subset B_2$ darstellen. Der Vektor $u_1$ als Linearkombination von Elementen in $B_1$ ist in $U_1$. Der Vektor $u_2$ ist Linearkombination von Elementen in $B_2$, mithin $u_2\in U_2$. Der Vektor $u-u_1=u_2$ ist sowohl in $U_1$ (linke Seite) als auch in $U_2$ (rechte Seite), folglich in $U_0$. Dieser Vektor $u_2\in U_0$ kann also als Linearkombination von $B_0$ dargestellt werden, wie auch als Linearkombination von $B\setminus B_1\subset B\setminus B_0$. Wegen der Eindeutigkeit einer Darstellung als Linearkombination von $B$ muß also gelten $u_2=0$. Es folgt $\langle B_1\rangle=U_1$ und damit \begin{align*}
\dim(U)+\dim(U_0)&=|B| + |B_0|\\
&=|B_2\dot{\cup}\tilde{B}_1|+|B_0|\\
&=|B_2|+|\tilde{B}_1\dot{\cup}B_0|\\
&=|B_2|+|B_1|\\
&=\dim(U_2)+\dim(U_1).
\end{align*}qed