Vektorräume von Homomorphismen

Es sei $V$ ein Vektorraum über dem Körper $K$. Dann bezeichnet $\mathrm{end}_K(V)=\hom_K(V,V)$ die Menge aller Endomorphismen von $V$. Wenn aus dem Zusammenhang heraus offensichtlich ist, über welchem Körper die Vektorräume definiert sind, so schreibt man auch kürzer $\mathrm{end}(V)=\hom(V,V)$. Die Menge $Gl_K(V)$ der Automorphismen, also der invertierbaren Endomorphismen, wird als die allgemeine lineare Gruppe genannt. Die Bezeichnung ist ein Akronym für die englischsprachige Bezeichnung general linear group. Dass es sich hier tatsächlich um eine Gruppe handelt, wollen wir als Satz formulieren.

Satz. Die Endomorphismen $\mathrm{end}_K(V)$ eines $K$-Vektorraums $V$ bilden mit der Addition von Homomorphismen und der Hintereinanderausführung von Homomorphismen als Multiplikation einen Ring mit der identischen Abbildung $\mathrm{id}_V$ als Eins. Die Menge $Gl_K(V)$ der Automorphismen von $V$ ist bezüglich der Hintereinanderausführung eine Gruppe.

Beweis. Dass $(\mathrm{end}_K(V),+)$ eine abelsche Gruppe bildet, haben wir bereits zur Kenntnis genommen. Mehr noch bildet $\mathrm{end}_K(V)$ einen $K$-Vektorraum. Die Verknüpfung $\circ$ ist assoziativ, wie Hintereinanderausführungen von Abbildungen allgemein. Sind $f, g_1, g_2\in \mathrm{end}(V)$ und $v\in V$, so erhalten wir die Gleichungskette \begin{eqnarray*}
\left(f\circ(g_1+g_2)\right)(v)&=&f\left((g_1+g_2)(v)\right)=f\left(g_1(v)+g_2(v)\right)\\
&=&f\left(g_1(v)\right)+f\left(g_2(v)\right)=(f\circ g_1)(v)+(f\circ g_2)(v).
\end{eqnarray*} Hier werden nacheinander benutzt: Definition von $\circ$, Definition der Addition in $\mathrm{end}(V)$, Linearität von $f$, Definition von $\circ$. Aus der damit gezeigten Gleichheit von Abbildungen folgt das Distributivgesetz $$f\circ(g_1+g_2)=(f\circ g_1)+(f\circ g_2).$$ Das zweite Distributivitätsgesetz $(f_1+f_2)\circ g= (f_1\circ g)+(f_2\circ g)$ folgt analog. Dass die identische Abbildung die Funktion einer Eins erfüllt, folgt aus den offensichtlichen Gleichungen $$f\circ \mathrm{id}_V=f=\mathrm{id}_V\circ f.$$ Automorphismen sind invertierbar, also bildet $Gl_K(V)$ eine Gruppe.
qed

Im Allgemeinen ist der Endomorphismenring $\mathrm{end}(V)$ nicht kommutativ. Ein schönes Beispiel liefert der reelle Vektorraum $\mathbb{R}^2$, also die reelle Ebene. Ist $S_0$ die Spiegelung an der $x$-Achse und $D_\theta$ eine Drehung der Ebene, so gilt im Allgemeinen $S_0\circ D_\theta \not= D_\theta\circ S_0$, denn es gilt $S_\theta=D_\theta S_0D_\theta^{-1}$.
Die Distributivitätsgesetze im Beweis des Satzes sind tatsächlich Spezialfälle eines allgemeineren Phänomens:

Satz. Sind $\phi:V\to V'$ und $\psi:W\to W'$ lineare Abbildungen zwischen $K$-Vektorräumen, so induzieren diese wiederum $K$-lineare Abbildungen \begin{eqnarray*}
\phi^*\colon \hom(V',W)&\to&\hom(V,W)\\
f&\mapsto&f\circ\phi
\end{eqnarray*} und \begin{eqnarray*}
\psi_*\colon \hom(V,W)&\to&\hom(V,W')\\
g&\mapsto&\psi\circ g.
\end{eqnarray*}

Beweis. Der Beweis ist in keiner Weise tiefsinnig; man muß nur die Definitionen geeignet einsetzen. Wir zeigen, dass $\phi^*$ linear ist; die Linearität von $\psi_*$ ist analog.
Seien also $f_1$ und $f_2$ in $\hom(V',W)$ und $v\in V$. Dann liefert uns ein Analogon \begin{equation*}
\left(\phi^*(f_1+f_2)\right)(v)=\left(f_1+f_2\right)\left(\phi(v)\right)=
f_1\left(\phi(v)\right)+f_2\left(\phi(v)\right)=\left(\phi^*(f_1)\right)(v)+\left(\phi^*(f_2)\right)(v),
\end{equation*} der im obigen Beweis benutzten Gleichungskette die Gleichheit $\phi^*(f_1+f_2)=\phi^*(f_1)+\phi^*(f_2)$ von Abbildungen. Somit ist $\phi^*$ mit der additiven Struktur verträglich. Ist $k\in K$, so gilt \begin{eqnarray*}
\left(\phi^*(k f)\right)(v)&=&(kf)\left(\phi(v)\right)=f\left(k\left(\phi(v)\right)\right)\\
&=&f\left(\phi(kv)\right)=\left(\phi^*(f)\right)(k v)\\
&=& \left(k\left(\phi^*(f)\right)\right)(v).
\end{eqnarray*} Hier haben wir nacheinander benutzt: Definition von $\phi^*$, Definition der Multiplikation mit Skalaren in $\hom(V',W)$, Linearität von $\phi$, Definition von $\phi^*$, Definition der Multiplikation mit Skalaren in $\hom(V,W)$. Aus dieser Gleichungskette folgt nun $\phi^*(k f)=k\phi^*(f)$ und damit Linearität von $\phi^*$.
qed

Bemerkungen.

  • Es ist gute Sitte unter Mathematikern, Definitionsbereich und Bildbereich einer Abbildung zu spezifizieren. Offensichtlich handelt es sich bei $\hom_K$ um eine Abbildung: Man steckt ein Paar von Vektorräumen hinein und es kommt ein Vektorraum heraus. Der Definitionsbereich besteht also aus allen Paaren von Vektorräume. Dumm nur, dass man zeigen kann, dass es keine Menge aller Vektorräume gibt. Dies hängt zusammen mit dem sogenannten Russelschen Paradoxon. Es gibt aber eine Abhilfe: Statt Mengen betrachtet man sogenannte Kategorien als Definitionsbereiche und Bildbereiche. Abbildungen zwischen Kategorien nennt man dann Funktoren.
  • Die Kategorie der $K$-Vektorräume besteht aus Objekten, nämlich den Vektorräumen, und darüber hinaus aus Morphismen $\hom(V,W)$ zwischen jeweils zwei Vektorräumen. Den Funktor $\hom(\,.\,,W)$ wendet man nicht nur an auf Vektorräume, sondern auch auf lineare Abbildungen, zum Beispiel auf $\phi:V\to V'$, und erhält dann die Abbildung $$\hom(\phi,W):\hom(V',W)\to \hom(V,W),$$ die wir oben mit $\phi^*$ bezeichnet haben. Der Funktor $\hom(V,\,.\,)$, angewandt auf $\psi:W\to W'$ liefert die Abbildung $$\hom(V,\psi):\hom(V,W)\to \hom(V,W'),$$ die wir oben mit $\psi_*$ bezeichnet haben. Man beachte, dass im ersten Fall sich die Pfeilrichtung umdreht, während im zweiten Fall die Pfeilrichtung erhalten bleibt. Funktoren, die Pfeilrichtungen umdrehen, heißen kontravariant, andernfalls heißen sie kovariant.

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