2.4. Krümmungstensor

In diesem Abschnitt wird die Gauß-Krümmung von Flächen auf andere Weise hergeleitet, nämlich mittels des riemannschen Krümmungstensors. Dieser Zugang zum Konzept der Krümmung ist auf den ersten Blick komplizierter, hat aber den großen Vorteil, sich problemlos auf höher dimensionale Mannigfaltigkeiten zu verallgemeinern.

2.4.1. Definition. Eine Abbildung \(f\colon S_1\to S_2\) zwischen Flächen im \(\mathbb R^3\) heißt lokale Isometrie, falls für jeden Punkt \(p\in S_1\) die Ableitung \[D_pf\colon T_pS_1\to T_{f(p)}S_2\] eine lineare Isometrie bezüglich der ersten Fundamentalform ist, d.h. für \(X,Y\in T_pS_1\) gilt \[\left\langle D_pf(X), D_pf(Y)\right\rangle =\langle X,Y\rangle.\] Geometrische Größen, die such unter lokalen Isometrien nicht ändern, nennt man Größen der inneren Geometrie.

2.4.2. Beispiele.

  • Die Ebene ist lokal isometrisch zum Zylinder vermittels der Abbildung \[\mathbb R^2=\mathbb R^2\times\{0\}\subset \mathbb R^3\to S^1\times \mathbb R,\quad (x,y,0)\mapsto \left(\cos x,\sin x,y\right).\]
  • Die Länge \[\int_a^b\|\dot{c}\|\,dt\] einer Kurve \(c\colon [a,b]\to S\) auf einer Fläche \(S\) ist eine Größe der inneren Geometrie.
  • Der Abstand zweier Punkte auf einer Fläche, definiert als das Infimum der Längen über alle die beiden Punkte verbindenden Kurven auf der Fläche, ist eine Größe der inneren Geometrie.
  • Die mittlere Krümmung ist keine Größe der inneren Geometrie, da für die mittlere Krümmungen von Ebene und Zylinder gilt \[H_{Ebene}=0,\quad H_{Zylinder}=\pm\tfrac{1}2.\]

2.4.3. Definition. Ein Vektorfeld auf einer regulären Fläche \(S\subset \mathbb R^3\) ist eine glatte Abbildung \(X\colon S\to \mathbb R^3\) mit \(X(p)\in T_pS\) für alle \(p\in S\). Die Ableitung einer glatten Funktion \(f\colon S\to \mathbb R\) in Richtung eines Vektorfeldes ist definiert durch \[\partial_Xf(p)=D_pf\left(X(p)\right).\] Die glatte Funktion \(\partial_Xf\colon p\mapsto \partial_Xf(p)\) wird, wenn Verwechslungen ausgeschlossen sind, auch einfach mit \(X(f)\) oder \(Xf\) bezeichnet.

Ist \(F\colon U\to V\) eine lokale Parametrisierung der Fläche, so lässt sich jedes Vektorfeld in der Form \[X
=\sum_{i=1}^2\xi^i\tfrac{\partial}{\partial u^i}\] mit glatten Funktionen \(\xi^i\) darstellen. Die Richtungsableitung einer Funktion \(f=f(u^1,u^2)\) in Richtung des Vektorfeldes \(X\) ist dann von der Form \[Xf=\sum_{i=1}^2\xi^i\tfrac{\partial f}{\partial u^i}.\] Dies erklärt die an früherer Stelle etwas unmotiviert benutzte Abkürzung \(\tfrac{\partial}{\partial u^i}\) für die partiellen Ableitungen der Parametrisierung \(F\).

Sind \(X\) und \(Y\) Vektorfelder, so gilt im Allgemeinen \(\partial_X\circ \partial_Y\not=\partial_Y\circ \partial_X\). Sind nämlich \(X=\sum_{i=1}^2\xi^i\tfrac{\partial}{\partial u^i}\) und \(Y=\sum_{j=1}^2\eta^j\tfrac{\partial}{\partial u^j}\) zwei Vektorfelder in einer Parameterumgebung, so gilt wegen der Leibniz-Regel \[X(Yf)-Y(Xf)=\sum_{i,j=1}^2 \left(\xi^i\tfrac{\partial \eta^j}{\partial u^i}\tfrac{\partial f}{\partial u^j}-
\eta^j\tfrac{\partial \xi^i}{\partial u^j}\tfrac{\partial f}{\partial u^i}\right)=\sum_{i=1}^2\left(\sum_{j=1}^2\xi^j
\tfrac{\partial \eta^i}{\partial u^j}-
\eta^j\tfrac{\partial \xi^i}{\partial u^j}\right)\tfrac{\partial }{\partial u^i} (f)
.\] Insbesondere ist die Lie-Klammer \[[X,Y]:=XY-YX\] selbst wieder ein Vektorfeld. Bezeichnet \(\mathcal{Vect}(S)\) den reellen Vektorraum der Vektorfelder, so definiert die Lie-Klammer eine schiefsymmetrische, bilineare Abbildung \[[\,.\,,\,.\,]\colon \mathcal{Vect}(S)\times \mathcal{Vect}(S)\to \mathcal{Vect}(S).\] Ist \(g\) eine glatte Funktion auf \(S\), so gilt \[[gX,Y]=g[X,Y]-Y(g)X\quad\text{ und }\quad [X,gY]=g[X,Y]+X(g)Y.\]

Mit Hilfe der Lie-Klammer können wir nicht nur Funktionen in Richtung eines Vektorfeldes ableiten, sondern auch Vektorfelder selbst.

2.4.4. Definition. Es sei \(X\) ein Vektorfeld auf der regulären Fläche \(S\). Die Lie-Ableitung von Vektorfeldern in Richtung \(X\) ist die Abbildung \[
L_X\colon \mathcal{Vect}(S)\to \mathcal {Vect}(S),\quad Y\mapsto [X,Y].\]

Die Leibniz-Regel für die Lie-Ableitung lautet \[L_X(gY)=g\cdot L_X(Y)+X(g)\cdot Y.\] Die von einer Parametrisierung \(F\colon U\to V\) erzeugten Vektorfelder \(\tfrac{\partial}{\partial u^i }\) sind hinsichtlich der Lie-Ableitung speziell: Nach dem Satz von Schwarz gilt \(\left[\tfrac{\partial}{\partial u^i },\tfrac{\partial}{\partial u^j }\right]=0\), und folglich \[
L_{\tfrac{\partial}{\partial u^i}}\left(\tfrac{\partial}{\partial u^j}\right)=0.\]

Im Folgenden werden wir eine andere Ableitung von Vektorfeldern betrachten:

2.4.5. Definition. Es sei \(X\) ein Vektorfeld auf der regulären Fläche \(S\subset\mathbb R^3\). Die kovariante Ableitung \[
\nabla_X\colon \mathcal{Vect}(S)\to \mathcal {Vect}(S),\quad Y\mapsto \nabla_XY\] in Richtung des Vektorfelds \(X\) ist im Punkte \(p\in S\) definiert durch \[\nabla_XY(p):=\pi_p\left(D_pY\left(X(p)\right)\right),
\] wo \(\pi_p\colon \mathbb R^3\to T_pS\) die orthogonale Projektion \(\pi_p(w)=w-\langle w,N_p\rangle N_p\) auf den Tangentialraum im Punkt \(p\) bezeichnet, \(N_p\) einen Einheitsnormalenvektor im Punkt \(p\).

Bei der kovarianten Ableitung betrachten wir also das Vektorfeld \(Y\colon S\to \mathbb R^3\) als ein Tripel reellwertiger Funktionen. Die Ableitung liefert eine lineare Abbildung \(D_pY\colon T_pS\to T_{Y(p)}\mathbb R^3=\mathbb R^3\). Kombiniert mit der orthogonalen Projektion \(\pi_p\colon \mathbb R^3\to T_pS\) erhalten wir den linearen Endomorphismus \[\pi_p\circ D_pY\colon T_pS\to T_pS.\] Die kovariante Ableitung \(\nabla_XY(p)\) beschreibt das Bild des Tangentialvektors \(X(p)\) unter diesem Endomorphismus.

2.4.6. Proposition. Die kovariante Ableitung \[\nabla\colon \mathcal{Vect}(S)\times \mathcal{Vect}(S)\to \mathcal{Vect}(S), \quad (X,Y)\mapsto \nabla_XY\] hat folgende Eigenschaften:

  • Sie ist \( \mathcal C^\infty(S)\)-linear im ersten Eintrag, d.h. sind \(f,g\in \mathcal C^\infty(S)\) glatte Funktionen auf \(S\) und \(X,Y,Z\in \mathcal{Vect}(S)\) Vektorfelder, so gilt \[\nabla_{fX+gY}Z=f\nabla_XZ +g\nabla_YZ.\]
  • Sie ist \(\mathbb R\)-linear im zweiten Eintrag, d.h. sind \(\alpha,\beta\in \mathbb R\) reelle Konstanten und \(X,Y,Z\in \mathcal{Vect}(S)\) Vektorfelder, so gilt \[\nabla_X\left(\alpha Y+\beta Z\right)=\alpha\nabla_XY +\beta\nabla_XZ.\]
  • Es gilt die Leibniz-Regel \[ \nabla_{X}(fY)=f\nabla_XY+X(f)\cdot Y\] für glatte Funktionen \(f\) und Vektorfelder \(X,Y\).
  • Es gilt die Leibniz-Regel bezüglich der ersten Fundamentalform \[X\langle Y,Z\rangle=\left\langle \nabla_XY,Z\right\rangle+\left\langle Y,\nabla_XZ\right\rangle\] für Vektorfelder \(X,Y,Z\).

Beweis. Die ersten drei Eigenschaften folgen unmittelbar aus der Definition. Zur letzten Eigenschaft benutzen wir die Notation \(\partial_XY\) für das Vektorfeld \(p\mapsto D_pY\left(X(p)\right)\) aus der Definition. Die Leibniz-Regel, angewandt auf die Funktionen-Tripel \(Y\) und \(Z\) liefert die Gleichung \[\begin{aligned}
X\langle Y,Z\rangle&=\partial_X\langle Y,Z\rangle\\
&=\left\langle \partial_XY,Z\right\rangle+\left\langle Y, \partial_XZ\right\rangle\\
&=\left\langle \nabla_XY+\left\langle \partial_XY,N\right\rangle N,Z\right\rangle+\left\langle Y, \nabla_XZ+\left\langle\partial_XZ,N\right\rangle N\right\rangle\\
&=\left\langle \nabla_XY,Z\right\rangle+\left\langle Y,\nabla_XZ\right\rangle.\end{aligned}\] Die letzte Identität folgt aus der Tatsache, dass das Normalenfeld \(N\) in jedem Punkt der Fläche senkrecht zu den Vektorfeldern \(Y\) und \(Z\) steht.
qed

Vergleichen wir noch einmal die Lie-Ableitung mit der kovarianten Ableitung, so stellen wir fest, dass beide bilinear über \(\mathbb R\) sind. Auch die Leibniz-Regeln gleichen sich. Der entscheidende Unterschied liegt in der ersten Eigenschaft der kovarianten Ableitung: Es gilt \(\nabla_{fX}Y=f\nabla_XY\). Die Lie-Ableitung dagegen erfüllt eine andere Regel: \(L_{fX}Y=fL_XY-Y(f)\cdot X\). Außerdem ist die Lie-Ableitung ohne jeglichen Verweis auf das Skalarprodukt im \(\mathbb R^3\) definiert. Wir können also auch keine Beziehung zur ersten Fundamentalform erwarten.

2.4.7. Definition. Es sei \(F\colon U\to V\) eine lokale Parametrisierung einer regulären Fläche und \[\nabla_{\tfrac{\partial}{\partial u^i}}\tfrac{\partial}{\partial u^j}
=\sum_{k=1 }^2\Gamma_{ij}^k\tfrac{\partial}{\partial u^k}\] die Darstellung der kovarianten Ableitungen bezüglich der zur Parametrisierung assoziierten Basis von Vektorfeldern. Die Koeffizientenfunktionen \(\Gamma_{ij}^k\) heißen Christoffel-Symbole.

Die zweiten partiellen Ableitungen der Parametrisierung nach den Koordinatenfunktionen lassen sich damit als Linearkombination von Vektorfeldern und Normalenfeld darstellen: \[
\frac{\partial^2 F}{\partial u^i\partial u^j}=h_{ij}N+\sum_{k=1 }^2\Gamma_{ij}^k\tfrac{\partial}{\partial u^k}.\] Aus dem Satz von Schwarz \(\tfrac{\partial^2 F}{\partial u^i\partial u^j}=\tfrac{\partial^2 F}{\partial u^j\partial u^i}\) folgt die Symmetrie \[\Gamma^k_{ij}=\Gamma^k_{ji}\] der Christoffel-Symbole in den unteren Indizes. Die Christoffel-Symbole lassen sich tatsächlich direkt aus der ersten Fundamentalform berechnen, beschreiben also eine Größe der inneren Geometrie:

2.4.8. Lemma. Es gilt \[\Gamma^k_{ij}=
\frac12\sum_{m=1}^2\left(\frac{\partial g_{jm}}{\partial u^i}+\frac{\partial g_{im}}{\partial u^j}-\frac{\partial g_{ij}}{\partial u^m}\right)g^{mk}.\]

Beweis. Den ersten Summanden berechnen wir direkt \[\begin{aligned}\frac{\partial g_{jm}}{\partial u^i}&
=\frac{\partial }{\partial u^i}\left\langle \frac{\partial}{\partial u^j},\frac{\partial}{\partial u^m}\right\rangle \\
&= \left\langle \frac{\partial^2F}{\partial u^i\partial u^j},\frac{\partial}{\partial u^m}\right\rangle +\left\langle \frac{\partial}{\partial u^j},\frac{\partial^2F}{\partial x^i\partial u^m}\right\rangle\\
&= \left\langle \sum_{l=1}^2\Gamma_{ij}^l\frac{\partial}{\partial u^l},\frac{\partial}{\partial u^m}\right\rangle +
\left\langle \frac{\partial}{\partial u^j},\sum_{l=1}^2\Gamma_{im}^l\frac{\partial}{\partial u^k}\right\rangle\\
&= \sum_{l=1 }^2\left(\Gamma_{ij}^lg_{lm}+\Gamma_{im}^lg_{jl}\right).\end{aligned}\] Permutation der Indizes liefert das Resultat \[\begin{aligned}
\frac12\sum_{m=1}^2\left(\frac{\partial g_{jm}}{\partial u^i}+\frac{\partial g_{im}}{\partial u^j}-\frac{\partial g_{ij}}{\partial u^m}\right)g^{mk}&=
\frac12\sum_{l,m=1}^2\left(\left(\Gamma_{ij}^lg_{lm}+\Gamma_{im}^lg_{jl}\right)+\left(\Gamma_{ji}^lg_{lm}+\Gamma_{jm}^lg_{il}\right)-\left(\Gamma_{mi}^lg_{lj}+\Gamma_{mj}^lg_{il}\right)\right)g^{mk}\\
&= \frac12\sum_{l,m=1}^2\left(\Gamma_{ij}^lg_{lm}+\Gamma_{ji}^lg_{lm}\right)g^{mk}\\
&= \Gamma^k_{ij}\end{aligned}
\]qed

2.4.9. Definition. Der riemannsche Krümmungstensor \[R\colon \mathcal{Vect}(S)\times \mathcal{Vect}(S)\times \mathcal{Vect}(S)\to \mathcal{Vect}(S), \quad (X,Y,Z)\mapsto R(X,Y)Z\] ist die folgende Kombination kovarianter Ableitungen \[R(X,Y)Z:=\nabla_X\nabla_YZ-\nabla_Y\nabla_XZ-\nabla_{[X,Y]}Z.\] In einer lokalen Parametrisierung \(F\colon U\to V\) wird der riemannsche Krümmungstensor beschrieben durch die Koeffizientenfunktionen \(R_{ijk}^l\) der Darstellung \[R\left(\tfrac{\partial}{\partial u^i},\tfrac{\partial}{\partial u^j}\right)\tfrac{\partial}{\partial u^k}=\textstyle\sum_{l=1}^2R_{ijk}^l\tfrac{\partial}{\partial u^l}.\]

Der Krümmungstensor ist nach Konstruktion ein Differentialoperator zweiter Ordnung. In die Konstruktion des Wertes \(R(X,Y)Z(p)\) an einem Punkt \(p\in S\) gehen also nicht nur die Werte der Vektorfelder \(X,Y,Z\) am gegebenen Punkt ein, sondern auch Information darüber, wie sich diese Vektorfelder in erster und zweiter Näherung nahe des Punktes \(p\) ändern. Erstaunlicherweise hängt das Resultat \(\left(R(X,Y)Z\right)(p)\) dieser Konstruktion jedoch nur ab von den Werten der Vektorfelder im gegebenen Punkt, nicht von irgendwelchen ihrer Ableitungen. Der riemannsche Krümmungstensor ist also, wenn man denn überhaupt von einem Differentialoperator sprechen will, ein Differentialoperator nullter Ordnung. Dies ist der Kern der folgenden Aussage:

2.4.10. Satz. Der riemannsche Krümmungstensor ist \(\mathcal C^\infty(S)\)-linear in allen Einträgen.

Beweis. Der Krümmungstensor ist als Komposition \(\mathbb R\)-linearer Abbildungen offensichtlich \(\mathbb R\)-linear in allen Einträgen. Zu zeigen bleiben drei Gleichungen \[R(fX,Y)Z=R(X,fY)Z=R(X,Y)fZ=fR(X,Y)Z\] für eine glatte Funktion \(f\). Eine der drei Rechnungen wird uns durch die offensichtliche Symmetrie \(R(X,Y)Z=-R(Y,X)Z\) erlassen. Los geht's. \[\begin{aligned}
R(fX,Y)Z&=\nabla_{fX}\nabla_YZ-\nabla_Y\nabla_{fX}Z-\nabla_{[fX,Y]}Z\\
&= f\nabla_X\nabla_YZ-\left(f\nabla_Y\nabla_XZ+Y(f)\nabla_XZ\right)-\nabla_{f[X,Y]-Y(f)X}Z\\
&= f\nabla_X\nabla_YZ-f\nabla_Y\nabla_XZ -Y(f)\nabla_XZ-f\nabla_{[X,Y]}Z +Y(f)\nabla_XZ\\
&=fR(X,Y)Z\\
R(X,Y)fZ&=\nabla_{X}\nabla_YfZ-\nabla_Y\nabla_{X}fZ-\nabla_{[X,Y]}fZ\\
&=\left(f\nabla_X\nabla_Y+Xf\nabla_Y+Yf\nabla_X+ XYf\right) Z-
\left( f\nabla_Y\nabla_X+Yf\nabla_X+Xf\nabla_Y+ YXf\right)Z\\
&\quad -\left(f\nabla_{[X,Y]}+[X,Y]f\right)Z\\
&=f\left(\nabla_X\nabla_Y-\nabla_Y\nabla_X-\nabla_{[X,Y]}\right)Z+\left(XYf-YXf-[X,Y]f\right)Z\\
&=fR(X,Y)Z.
\end{aligned}\]qed

In einer lokalen Parametrisierung berechnen sich einzelnen Komponenten des Krümmungstensors auf folgende Weise aus den Christoffel-Symbolen:

2.4.11. Lemma.\[R_{ijk}^l=\frac{\partial \Gamma^l_{jk}}{\partial u^i}-\frac{\partial \Gamma^l_{ik}}{\partial u^j}+\textstyle\sum_{m=1}^2\left(\Gamma^l_{im}\Gamma^m_{jk}-\Gamma^l_{jm}\Gamma^m_{ik}\right).\]

Beweis. Wir schreiben kurz \(\partial_i\) für \(\tfrac{\partial}{\partial u^i}\). Wegen \(\left[\partial_i,\partial_j\right]=0\) gilt \[
\begin{aligned} R\left( \partial_i,\partial_j\right)\partial_k&=
\nabla_{\partial_i}\nabla_{\partial_j}{\partial_k}-
\nabla_{\partial_j}\nabla_{\partial_i}{\partial_k}\\
&=\sum_{l=1}^2\left(\nabla_{\partial_i}\left(\Gamma^l_{jk}{\partial_l}\right)
-\nabla_{\partial_j}\left(\Gamma^l_{ik}{\partial_l}\right)\right)\\
&=\sum_{l=1}^2\left(\left(\frac{\partial \Gamma^l_{jk}}{\partial u^i}{\partial_l}+
\Gamma^l_{jk}\left(\textstyle\sum_{m=1}^2\Gamma^m_{il}{\partial_m}\right)\right) -
\left(\frac{\partial \Gamma^l_{ik}}{\partial u^j}{\partial_l}+
\Gamma^l_{ik}\left(\textstyle\sum_{m=1}^2\Gamma^m_{jl}{\partial_m}\right)\right)\right)\\
&=\sum_{l=1}^2\left(\frac{\partial \Gamma^l_{jk}}{\partial u^i}{\partial_l}-\frac{\partial \Gamma^l_{ik}}{\partial u^j}{\partial_l}\right)
+\sum_{l,m=1}^2\left(
\Gamma^l_{jk}\Gamma^m_{il}{\partial_m}-
\Gamma^l_{ik}\Gamma^m_{jl}{\partial_m}\right)\\
&=\sum_{l=1}^2\left(\frac{\partial \Gamma^l_{jk}}{\partial u^i}-\frac{\partial \Gamma^l_{ik}}{\partial u^j}\right){\partial_l}
+\sum_{l,m=1}^2\left(
\Gamma^m_{jk}\Gamma^l_{im}{\partial_l}-
\Gamma^m_{ik}\Gamma^l_{jm}{\partial_l}\right)\\
&=\sum_{l=1}^2\left(\frac{\partial \Gamma^l_{jk}}{\partial u^i}-\frac{\partial \Gamma^l_{ik}}{\partial u^j}+\textstyle\sum_{m=1}^2\left(\Gamma^l_{im}\Gamma^m_{jk}-\Gamma^l_{jm}\Gamma^m_{ik}\right)\right)\partial_l.
\end{aligned}
\]qed

2.4.12. Gauß-Gleichung. Für Vektorfelder \(X,Y,Z\) auf einer regulären Fläche im \(\mathbb R^3\) gilt die folgende Relation zwischen dem Krümmungstensor \(R\), der zweiten Fundamentalform \(II\) und der Weingarten-Abbildung \(W\): \[R(X,Y)Z=II(Y,Z)W(X)-II(X,Z)W(Y).\]

Beweis. Wir beweisen die Aussage durch Rechnung in einer lokalen Parametrisierung \(F\colon U\to V\), in der sie die Form \[R_{ijk}^l=w_i^lh_{jk}-w_j^lh_{ik}\] annimmt. Tatsächlich folgt die Aussage aus dem Satz von Schwarz, angewandt auf dritte partielle Ableitungen von \(F\). Die partielle Ableitung von \[\frac{\partial ^2F}{\partial u^j\partial u^k}=\textstyle\sum_{l=1}^2\Gamma^l_{jk}\tfrac{\partial}{\partial u^l}+h_{jk}N\] ergibt \[\begin{aligned}
\frac{\partial ^3F}{\partial u^i\partial u^j\partial u^k}&=
\sum_{l=1}^2\left(\frac{\Gamma^l_{jk}}{\partial u^i}\tfrac{\partial}{\partial u^l}+\Gamma^l_{jk}\frac{\partial^2F}{\partial u^i\partial u^l}\right)+\left(\frac{\partial h_{jk}}{\partial u^i}N+h_{jk}\frac{\partial N}{\partial u^i}\right)\\
&=\sum_{l=1}^2\left(\frac{\Gamma^l_{jk}}{\partial u^i}\tfrac{\partial}{\partial u^l}+
\textstyle{\sum_{m=1}^2}\Gamma^l_{jk}\Gamma^m_{il}\tfrac{\partial}{\partial u^m}+ \Gamma^l_{jk}h_{il}N\right)
+ \left(\frac{\partial h_{jk}}{\partial u^i}N-{\textstyle\sum_{l=1}^2}h_{jk}w_i^l\tfrac{\partial}{\partial u^l}\right)\\
&= \sum_{l=1}^2\left(\frac{\Gamma^l_{jk}}{\partial u^i}+
\textstyle{\sum_{m=1}^2}\Gamma^l_{im}\Gamma^m_{jk} - h_{jk}w_i^l\right)\tfrac{\partial}{\partial u^l}
+ \left(\textstyle{\sum_{m=1}^2}\Gamma^m_{jk}h_{im} +\frac{\partial h_{jk}}{\partial u^i}\right)N.
\end{aligned}\] Wir können die partiellen Ableitungen nach \(u^i\) und nach \(u^j\) vertauschen und erhalten \[
\begin{aligned} 0&=\frac{\partial ^3F}{\partial u^i\partial u^j\partial u^k}-\frac{\partial ^3F}{\partial u^j\partial u^i\partial u^k}\\
&= \sum_{l=1}^2\left(\frac{\Gamma^l_{jk}}{\partial u^i} - \frac{\Gamma^l_{ik}}{\partial u^j} +
\textstyle{\sum_{m=1}^2}\left(\Gamma^l_{im}\Gamma^m_{jk} - \Gamma^l_{jm} \Gamma^m_{ik}\right)
-\left( h_{jk}w_i^l - h_{ik}w_j^l\right)
\right)\tfrac{\partial}{\partial u^l}\\
&\quad + \left(\textstyle{\sum_{m=1}^2}\left(\Gamma^m_{jk}h_{im} - \Gamma^m_{ik}h_{jm}\right) +\left(\frac{\partial h_{jk}}{\partial u^i}-\frac{\partial h_{ik}}{\partial u^j}\right)\right)N\\
&= \sum_{l=1}^2\left(R_{ijk}^l
-\left( h_{jk}w_i^l - h_{ik}w_j^l\right)
\right)\tfrac{\partial}{\partial u^l} + \left(\textstyle{\sum_{m=1}^2}\left(\Gamma^m_{jk}h_{im} - \Gamma^m_{ik}h_{jm}\right) +\left(\frac{\partial h_{jk}}{\partial u^i}-\frac{\partial h_{ik}}{\partial u^j}\right)\right)N
\end{aligned}\] Die lineare Unabhängigkeit der Vektorfelder \(\tfrac{\partial}{\partial u^l}\) und \(N\) liefert die Gauß-Gleichung, sowie eine zusätzliche Relation \[ \frac{\partial h_{jk}}{\partial u^i}-\frac{\partial h_{ik}}{\partial u^j}= \textstyle{\sum_{m=1}^2}\left(\Gamma^m_{ik}h_{jm} - \Gamma^m_{jk}h_{im}\right),\] die wir hier aber nicht weiter diskutieren wollen.
qed

Als Konsequenz erhalten wir einen berühmten Satz.

2.4.13. Theorema Egregium. Die Gauß-Krümmung ist eine Größe der inneren Geometrie. Gauß-Krümmung und riemannscher Krümmungstensor lassen sich mit Hilfe der ersten Fundamentalform auseinander berechnen. In lokalen Koordinaten gelten die Gleichungen \[
K=\tfrac12 \sum_{ijk=1}^2 R^i_{ijk}g^{jk} \quad\text{ und }\quad R_{ijk}^l=\left(\delta_i^lg_{jk}-\delta_j^lg_{ik}\right)K.\]

Beweis. Es reicht, die beiden Formeln in lokalen Koordinaten zu verifizieren. Die Determinante \(K=\det W=w_1^1w_2^2-w_1^2w_2^1\) der Weingarten-Abbildung \(W\) ist nach Definition die Gaußsche Krümmung. In der kleinen Rechnung \[ \begin{aligned}\sum_{m}R^l_{ijm}g^{mn}&= \sum_{m}\left(w^l_ih_{jm}-w^l_jh_{im}\right)g^{mn}
\\&=w^l_iw^n_j-w^l_jw^n_i\\
&=\left(\delta_i^l\delta_j^n-\delta_j^l\delta_i^n\right)K.
\end{aligned}\] benutzen wir zuerst die Gauß-Gleichung, dann die Definition \(h_{ij}=\sum_{n=1}^2w_i^ng_{nj}\) der zweiten Fundamentalform. Die dritte Gleichung verifiziert man durch Inspektion der Fälle \(i,j,l,n\in \{1,2\}\). Im Prinzip sind dies \(2^4=16\) Fälle. Reduziert wird diese Anzahl jedoch durch eine Symmetriebetrachtung: Die Ausdrücke zu beiden Seiten der Gleichung wechseln bei Vertauschung der Indizes \(i\) und \(j\) jeweils das Vorzeichen. Gleiches gilt bei Vertauschung der Indizes \(l\) und \(n\). Insbesondere sind beide Seiten gleich Null, falls \(i=j\) oder \(l=n\) gilt. Es bleiben die beiden Fälle \((i,j,l,n)\in \{(1,2,1,2), (1,2,2,1)\}\), in denen die Gleichung trivial ist. Die beiden im Theorem behaupteten Gleichungen folgen aus dieser Formel: \[
\sum_{ijk}R^i_{ijk}g^{jk} = \sum_{ij} \left(\delta_i^i\delta_j^j-\delta_j^i\delta_i^j\right)K
= \sum_{ij} \left(1-\delta_j^i\right)K
= (4-2)K=2K.\]\[ R^l_{ijk}=\sum_{m}R^l_{ijm}\delta^{m}_{k}=\sum_{mn}R^l_{ijm}g^{mn}g_{nk}=\sum_n \left(\delta_i^l\delta_j^n-\delta_j^l\delta_i^n\right)g_{nk}K=
\left(\delta_i^lg_{jk}-\delta_j^l g_{ik}\right)K.\]qed

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