Zyklische Vektorräume

Es sei $V$ ein endlich dimenionaler $K$-Vektorraum und $\phi$ ein Endomorphismus von $V$. Dann ist $(V,\phi)$ ein endlich erzeugter Modul über dem Hauptidealring $K[X]$, zerfällt also in eine direkte Summe zyklischer Moduln. Wir sollten uns erst einmal klar machen, was ein zyklischer Modul über dem Polynomring ist. Dazu benutzen wir die Tatsache, dass die Monome den Ring $K[X]$, und folglich auch jeden Quotientenraum, als Vektorraum erzeugen.

Definition. Sei $\phi$ Endomorphismus eines $K$-Vektorraums $V$. Ein Vektor $v\in V$ heißt $\phi$-zyklisch, wenn die Vektoren $v_0, v_1,\ldots, v_n,\ldots$ mit $v_n=\phi^n(v)$ den Vektorraum $V$ aufspannen. Wenn es einen zyklischen Vektor in $V$ gibt, so heißt $(V,\phi)$ zyklisch oder $V$ ein zyklischer $K[\phi]$-Modul.

Es sei nun \[P=X^n+a_{n-1}X^{n-1}+\ldots+a_0\] ein normiertes Polynom vom Grad $n\in\mathbb N$, d.h. ein Polynom mit Leitkoeffizient $1$. Die Restklassen der Monome $1,X,X^2,\ldots,X^{n-1}$ bilden eine Basis des Quotientenmoduls $K[X]/(P)$, betrachtet als $K$-Vektorraum. Denn ist $Q$ ein Polynom, so liefert Polynomdivision mit Rest eine Zerlegung $$Q=T\cdot P+R$$ mit eindeutig bestimmten Polynomen $T$ und $R$, wobei der Grad von $R$ kleiner ist als $n$. Die Restklasse von $Q$ in $K[X]/(P)$ ist gleich der von $R$ und letztere ist eindeutig als Linearkombination über $K$ der Restklassen der Monome vom Grad kleiner $n$ darstellbar. Im zyklischen Modul $K[X]/(P)$ bildet Multiplikation mit $X$ das Basiselement $X^{i-1}$ ab auf das Basiselement $X^{i}$, solange $i\lt n$ ist, und bildet $X^{n-1}$ ab auf $X^n=-\sum_{i=0}^{n-1}a_iX^i$.

Definition. Die Begleitmatrix $B(P)$ des normierten Polynoms $P$ ist $$
B(P)=\begin{pmatrix}0&0&\ldots&\ldots&\ldots&-a_0\\
1&0&&&&-a_{1}\\
0&1&\ddots&&&\vdots\\
\vdots &&\ddots&\ddots&&\vdots\\
\vdots&&&\ddots &0&-a_{n-2}\\
0&\ldots&\ldots&0&1&-a_{n-1}
\end{pmatrix}.
$$

Betrachten wir Multiplikation mit $X$ als Endomorphismus des zyklischen Vektorraums $K[X]/(P)$, so wird dieser Endomorphismus bezüglich der Basis bestehend aus den Restklassen der Monome duch die Begleitmatrix beschrieben. Wir fassen unsere Erkenntnisse zusammen:

Proposition. Sei $v\in V$ ein $\phi$-zyklischer Vektor eines $K$-Vektorraums der Dimension $n\in \mathbb N$ und sei $P$ das normierte Polynom vom Grad $n$ mit $P(\phi)v=0$. Dann wird $\phi$ bezüglich der Basis $v_i:=\phi^i(v)$ mit $0\le i< n$ dargestellt durch die Begleitmatrix $B(P)$. Das Polynom $P$ ist Minimalpolynom und charakteristisches Polynom von $\phi$.

Beweis. Da $v$ zyklisch ist, bilden die Vektoren $\phi(v)$ für $0\le i\lt n$ eine Basis und es gilt $P(\phi)v=0$. Das Polynom $P$ ist also im Kern des Homomorphismus $\tau_\phi:K[X]\to \mathrm{end}(V)$. Da kein normiertes Polynom kleineren Grades den Vektor $v$ annihiliert, muss $P$ das Minimalpolynom sein. Das charakteristische Polynom der Begleitmatirix lässt sich direkt berechnen. Man entwickelt die Determinante der Matrix $X\cdot \mathbb I_n-B(P)$ induktiv nach der ersten Zeile und erhält das Polynom $P$.
qed

Das Polynom $P$ zerfällt im Allgemeinen in ein Produkt $$P=\prod_{i=1}^nP_i^{a_i}$$ von Potenzen irreduzibler, teilerfremder Polynome $P_i$. Der Chinesische Restsatz liefert einen Isomorphismus von Moduln $$K[X]/(P)\cong \oplus_{i=1}^nK[X]/(P_i^{a_i}).$$ Ein zyklischer Modul zerfällt also in eine direkte Summe zyklischer Moduln mit teilerfremden Minimalpolynomen. Als Folgerung erhalten wir:

Korollar. Ist $(V,\phi)$ ein zyklischer Vektorraum mit Minimalpolynom $P=\prod_{i=1}^nP_i^{a_i}$. Dann gibt es eine Basis von $V$, bezüglich derer $\phi$ dargestellt wird durch eine Blockmatrix in Diagonalgestalt, deren Blöcke die Begleitmatrizen der Polynome $P_i^{a_i}$ sind.

Aus den Begleitmatrizen $B(P^a)$ lassen sich die Polynome $P$ nicht direkt ablesen. Das ist anders bei der verallgemeinerten Jordanmatrix.

Definition.Es sei $P$ ein Polynom vom Grad $d$. Die verallgemeinerte Jordanmatrix $C_a(P)$ zum Polynom $P$ und Exponenten $a$ ist eine $n\times n$-Matrix mit $n=ad$. Sie ist unterteilt in Blöcke, bestehend aus $d\times d$-Matrizen. Insgesamt ist $C_a(P)$ eine $a\times a$-Matrix von Blöcken
\[
C_a(P)=
\begin{pmatrix}
B(P)& & & & & & \\
O^1 &B(P)& & & & & \\
&O^1 &B(P)& & & & \\
& &O^1 &\ddots& & & \\
& & &\ddots&\ddots& & \\
& & & &O^1 &B(P)& \\
& & & & &O^1 &B(P)
\end{pmatrix}
\]
Die auf der Hauptdiagonalen liegenden Blöcke $B(P)$ sind die Begleitmatrizen des Polynoms $P$. Auf der unteren Nebendiagonalen finden sich Blöcke
\[O^1=\begin{pmatrix}0&\dots&0&1\\
\vdots&& &0\\
\vdots&& &\vdots\\
0&\dots&&0
\end{pmatrix},
\]
die außer der $1$ in der rechten oberen Ecke nur aus Nullen bestehen. Die nicht angezeigten Blöcke sind Null-Matrizen.

In dem folgenden Beispiel der verallgemeinerten Jordanmatrix $C_4(P)$ für das normierte Polynom $P=X^4-2X^3-3X^2-4X-5$ werden nur die Nichtnull-Einträge angezeigt.
\[\left(\begin{array}{cccc cccc cccc cccc}
& & &5& & & & & & & & & & & & \\
1& & &4& & & & & & & & & & & & \\
&1& &3& & & & & & & & & & & & \\
& &1&2& & & & & & & & & & & & \\
& & &1& & & &5& & & & & & & & \\
& & & &1& & &4& & & & & & & & \\
& & & & &1& &3& & & & & & & & \\
& & & & & &1&2& & & & & & & & \\
& & & & & & &1& & & &5& & & & \\
& & & & & & & &1& & &4& & & & \\
& & & & & & & & &1& &3& & & & \\
& & & & & & & & & &1&2& & & & \\
& & & & & & & & & & &1& & & &5\\
& & & & & & & & & & & &1& & &4\\
& & & & & & & & & & & & &1& &3\\
& & & & & & & & & & & & & &1&2\\
\end{array}\right)
\]

Ist das Polynom $P=X-\lambda$ vom Grad $1$, so heißt die Matrix $J_a(\lambda):=C_a(P)$ Jordanmatrix oder auch Jordankästchen. In diesem Fall degenerieren die Blöcke $B(P)$ und $O^1$ zu Zahlen $\lambda$ und $1$. Ein Jordankästchen ist also von der Form
\[J_a(\lambda)=
\begin{pmatrix}
\lambda& & & & & & \\
1 &\lambda& & & & & \\
& 1 &\lambda& & & & \\
& & 1 &\ddots& & & \\
& & &\ddots&\ddots& & \\
& & & & 1 &\lambda& \\
& & & & & 1 &\lambda
\end{pmatrix}
\]
Wir nennen diese Matrix Jordankästchen zu Eigenwert $\lambda$ und Exponenten $a$.

Proposition. Die Matrizen $C_a(P)$ und $B(P^a)$ sind ähnlich, d.h. es existiert eine invertierbare Matrix $S$ mit $C_a(P)=S^{-1}B(P^a)S$.

Beweis. Die Begleitmatrix $B(P^a)$ beschreibt den Endomorphismus $\phi$ eines zyklischen Vektorraums $(V,\phi)$ bezüglich einer Basis $v_j=Q_j(\phi)v$ mit $0\le j < a\,deg(P)=ad$. Hier ist $v$ ein zyklischer Vektor und die Polynome $Q_j\in K[X]$ sind die Monome $X^j$.
Die Matrix $C_a(P)$ beschreibt denselben Endomorphismus $\phi$, nur bezüglich einer anderen Basis $w_j=R_j(\phi)v$. Jede Zahl $j$ mit $0\le j < ad$ lässt sich eindeutig darstellen in der Form $j=k+md$ mit Zahlen $0\le k < d$ und $0\le m < a$. Das Polynom
\[R_j:=X^kP^m\] ist dann vom Grad $j$. Ist
\[P=X^d+a_1t^{d-1}+\ldots+a_0,\] so gilt
\begin{eqnarray*}\phi(w_j)&=& w_{j+1},\quad \text{falls}\,
j=md+k \,\text{mit}\, k < d-1\,\text{ist}.\\
\phi(w_{md+d-1})=\phi^d(P^m(\phi)v)&=&(P(\phi)-\sum_{j=0}^{d-1}a_j\phi^{j})P^m(\phi)v= w_{md+d}-\sum_{j=0}^{d-1}a_jw_{md+j},
\end{eqnarray*} wobei $w_{ad}=0$ ist.
qed

Korollar. Ist $(V,\phi)$ ein zyklischer Vektorraum mit Minimalpolynom $P=\prod_{i=1}^nP_i^{a_i}$. Dann gibt es eine Basis von $V$, bezüglich derer $\phi$ dargestellt wird durch eine Blockmatrix in Diagonalgestalt, deren Blöcke verallgemeinerte Jordankästchen $C_{a_i}(P_i)$ sind.

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