Nach dem Klassifikationssatz für endlich erzeugte Moduln über Hauptidealringen lässt sich jeder endlich erzeugte $K[X]$-Modul in eine direkte Summe zyklischer Moduln zerlegen. Wir erhalten damit aus der Beschreibung zyklischer Vektorräume aus dem letzten Paragraphen das Resultat:
Korollar (Allgemeine Normalform). Sei $\phi$ Endomorphismus eines endlich dimensionalen $K$-Vektorraums $V$. Dann gibt es eine Zerlegung
\[V=V_1\oplus\ldots\oplus V_r\] von $V$ als direkte Summe $\phi$-invarianter, zyklischer Unterräume $(V_i,\phi_i)$, deren Minimalpolynome $\mu_i=P_i^{a_i}$ Potenzen irreduzibler Polynome sind. Die auftretenden Polynome $\mu_i$ sind bis auf Reihenfolge eindeutig. Das charakteristische Polynom von $\phi$ ist das Produkt der Minimalpolynome dieser zyklischen Summanden \[\chi=\mu_1\cdot\ldots\cdot \mu_r.\] Das Minimalpolynom von $\phi$ ist das kleinste gemeinsame Vielfache der Minimalpolynome der zyklischen Summanden. Es gibt eine Basis von $V$, bezüglich derer $\phi$ durch die Blockmatrix mit den verallgemeinerten Jordanmatrizen $C_{a_i}(P_i)$ auf der Diagonalen beschrieben wird:
\[\left(\begin{array}{cccc}
C_{a_1}(P_1)&0&\ldots&0\\
0&C_{a_2}(P_2)&&\vdots\\
\vdots&&\ddots&0\\
0&\ldots&0&C_{a_r}(P_r)
\end{array}\right).
\]
Der folgende Spezialfall ist wichtiger, als man vielleicht auf den ersten Blick vermuten würde. Er behandelt den Fall, in dem alle irreduziblen Faktoren des charakteristischen Polynoms vom Grad $1$ sind. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Grundkörper $K$ der Körper der komplexen Zahlen $\mathbb C$ ist. Zur Erinnerung: Die Faktoren vom Grad $1$ im charakterisitischen Polynom eines Endomorphismus $\phi$ entsprechen genau den Eigenwerten von $\phi$. Teilt der Term $(X-\lambda)$ das charakteristische Polynom, so ist $\lambda$ Nullstelle des charakteristischen Polynoms, also Eigenwert.
Korollar (Jordansche Normalform). Es sei $\phi$ Endomorphismus eines endlich dimensionalen Vektorraums, dessen charakteristisches Polynom in Linearfaktoren zerfällt
\[\chi=(X-\lambda_1)^{e_1}(X-\lambda_2)^{e_2}\cdot\ldots\cdot
(X-\lambda_r)^{e_r}.\] Dann gibt es eine Basis von $V$, bezüglich derer die Abbildung $\phi$ beschrieben wird durch eine Matrix folgender Gestalt:
\[\left(\begin{array}{cccc}
\kappa_1&0&\ldots&0\\
0&\kappa_2&&\vdots\\
\vdots&&\ddots&0\\
0&\ldots&0&\kappa_k
\end{array}\right)
\]mit Jordankästchen $\kappa_i$. Bis auf die Reihenfolge sind diese Jordankästchen eindeutig bestimmt. Die unter den $\kappa_i$, $i\le k$ auftauchenden Jordankästchen zu einem fixierten Eigenwert $\lambda$ seien von der Form $J_{a_1}(\lambda),\ldots, J_{a_s}(\lambda)$. Dann ist die Summe der Exponenten $e=a_1+\ldots+a_s$ gleich dem Exponenten, mit dem der Linearfaktor $(X-\lambda)$ im charakteristischen Polynom erscheint.
Beweis. Die Aussagen über Gestalt und Eindeutigkeit der Normalform folgen aus dem bereits Bewiesenen. Das charakteristische Polynom eines Jordankästchens $J_a(\lambda)$ ist $(X-\lambda)^a$. Das charakteristische Polynom einer Matrix in Jordanscher Normalform ist das Produkt der charakteristischen Polynome der auftretenden Jordankästchen. Die Aussagen über die auftretenden Exponenten lassen sich aus dieser Beobachtung ableiten.
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Um eine Basis zu finden, bezüglich derer ein Endomorphismus $\phi\in End(V)$ durch eine Matrix in einer der obigen Normalformen dargestellt wird, geht man wie folgt vor:
- Man berechnet das charakteristische Polynom und zerlegt es in irreduzible Faktoren. Dies ist im Allgemeinen wohl der schwerste Teil des Problems.
- Kommt ein irreduzibler Faktor $P$ vom Grad $d$ in der Potenz $P^a$ im charakteristischen Polynom vor, so erhält man den dazugehörigen Summanden in $V$ als Kern des Endomorphismus $P^a(\phi)$.
- Im letzten Schritt gilt es, den im zweiten Schritt gefundenen Summanden $W\subset V$ mit charakteristischem Polynom $P^a$ in zyklische Summanden zu zerlegen. Dazu berechnet man die Folge von Unterräumen $W_i=\ker(P^i(\phi))\subseteq W$. Diese sind ineinander enthalten
\[0=W_0\subseteq W_1\subseteq \ldots \subseteq W_a=W.\] Es sei $k_1$ maximal unter den Indizes $k$, für welche $W_k\setminus W_{k-1}$ nichtleer sind. Wir wählen einen beliebigen Vektor $v_1\in W_{k_1}\setminus W_{k_1-1}$. Die Vektoren
\[v_1, \phi(v_1),\ldots,\phi^{k_1d-1}(v_1)\] sind dann linear unabhängig und bilden die gesuchte Basis des ersten zyklischen Summanden $V_1$.
Ist $V_1\not= W$, so sei $k_2$ maximaler Index, für den $(W_{k_2}+V_1)\setminus (W_{k_2-1}+V_1)$ nichtleer ist. Wählt man ein beliebiges Element $v_2$ dieser Menge, so sind die Vektoren \[v_2, \phi(v_2),\ldots,\phi^{k_2d-1}(v_2)\] linear unabhängig und bilden die gesuchte Basis des zweiten zyklischen Summanden. Diesen Prozess iteriert man, bis man $W$ vollständig in zyklische Summanden zerlegt hat. Da $V$ endlich dimensional ist, findet dieser Algorithmus einmal ein Ende.