1.0.1. Definition. Eine Gruppe ist ein Paar $(G, \ast)$ bestehend aus einer Menge $G$ und einer Verknüpfung $\ast$ auf $G$, d.h. einer Abbildung $$ \begin{aligned} \ast\; \colon G\times G \to G\\ (g,h) \mapsto g\ast h \end{aligned}$$ mit folgenden Eigenschaften:
- Für alle $g,h,k\in G$ gilt das Assoziativgesetz $(g\ast h)\ast k=g\ast (h\ast k)$.
- Es gibt ein neutrales Element $e\in G$ derart, dass für alle $g\in G$ gilt $g\ast e=g$.
- Zu jedem Element $g\in G$ gibt es ein Inverses $g^{-1}$ mit $g\ast g^{-1}=e$.
Eine Gruppe $(G, \ast)$ heißt kommutativ oder abelsch, wenn zusätzlich $g\ast h=h\ast g$ gilt für alle $g,h\in G$.
1.0.2. Beispiele und Bemerkungen.
- Bei den ganzen Zahlen $\mathbb{Z}$ haben wir zwei verschiedene Verknüpfungen, nämlich die Addition und die Multiplikation. Das Paar $(\mathbb{Z}, +)$ ist eine abelsche Gruppe: Die Null ist das neutrale Element, das zu $a$ inverse Element ist $-a$.
- Bezüglich der Multiplikation bildet $(\mathbb{Z}\smallsetminus \{0\}, \cdot)$ keine Gruppe, da es zu den meisten Elementen keine Inversen gibt. Dagegen ist $(\mathbb{Q}\smallsetminus \{0\}, \cdot)$ eine kommutative Gruppe. Allgemeiner bildet $K^*:=K\setminus\{0\}$, zusammen mit der Multiplikation, für jeden Körper $K$ eine kommutative Gruppe.
- Die Menge $$Gl(2,K):=\left\{A\in K^{2\times 2}\mid \det(A)\not=0\right\},$$ versehen mit der Matrixmultiplikation, ist die Gruppe der invertierbaren $2\times 2$-Matrizen mit Koeffizienten im Körper $K$. Diese Gruppe ist nicht kommutativ, denn es gilt $$\left(\begin{matrix}1&1\\0&1\end{matrix}\right)\cdot\left(\begin{matrix}1&0\\1&1\end{matrix}\right)=
\left(\begin{matrix}2&1\\1&1\end{matrix}\right)\not=\left(\begin{matrix}1&1\\1&2\end{matrix}\right)=\left(\begin{matrix}1&0\\1&1\end{matrix}\right)\cdot \left(\begin{matrix}1&1\\0&1\end{matrix}\right)$$ in jedem Körper $K$. - Die Gruppe $S^1:=\{z\in\mathbb C\mid |z|=1\}$ der komplexen Zahlen vom Betrag $1$, versehen mit dem Produkt komplexer Zahlen, bildet eine abelsche Gruppe.
- Es sei $M$ eine nichtleere Menge und $S(M)$ die Menge der bijektiven Abbildungen von $M$ auf sich selbst. Die Menge $S(M)$ der bijektiven Abbildungen bildet mit der Verknüpfung $\circ$ eine Gruppe. Neutrales Element ist die identische Abbildung $$\begin{aligned}id_M\colon M \to M\\ m\mapsto m.\end{aligned}$$
Die zu $f\colon M\to M$ inverse Abbildung $f^{-1}\colon M\to M$ ordnet jedem $m\in M$ das Urbild $f^{-1}(m)$ zu. Die Gruppe $S(M)$ heißt symmetrische Gruppe der Menge $M$. Falls die Menge $M$ mehr als zwei Elemente enthält, ist $S(M)$ nicht abelsch. - Meist wird die Verknüpfung $\ast$, wie die Multiplikation von Zahlen, durch einen Punkt beschrieben. Man schreibt dann $a\cdot b$ oder kurz $ab$. Manchmal wird bei abelschen Gruppen die Verknüpfung $\ast$ auch additiv geschrieben, also $a+b$.
- Für $n\in \mathbb N$ ist die zyklische Gruppe $\mathbb Z/n\mathbb Z:=\{0,1,2,\ldots,n-1\}$ mit $n$ Elementen beschrieben durch die Verküpfung $$a\ast b:=\begin{cases}a+b&\text{ falls }a+b\lt n\\a+b-n&\text{ falls } a+b\ge n.\end{cases}$$ Offenbar gilt $a\ast b=b\ast a$ und die $0$ agiert als neutrales Element. Ist $a\not=0$, so ist $n-a$ zu $a$ invers. Zum Prüfen der Assoziativität listet man die Ergebnisse iterierter Verknüpfungen auf \begin{align}(a\ast b)\ast c&=\begin{cases}a+b+c&\text{ falls }a+b+c\lt n\\ a+b+c-n&\text{ falls }n\le a+b+c\lt 2n\\a+b+c-2n&\text{ falls }2n\le a+b+c
\end{cases}\\&=a\ast(b\ast c)\end{align} und erkennt, dass die Beschreibung jeweils unabhängig ist von der Reihenfolge, in der die Elemente verknüpft werden. - Zyklische Gruppen werden meist additiv geschrieben: Man schreibt $a+b$ für $a,b\in \mathbb Z/n\mathbb Z$. Manchmal werden sie aber auch multiplikativ dargestellt. Die Elemente werden dann anders genannt: $\mathbb Z/n\mathbb Z=\{1,c,c^2,\ldots, c^{n-1}\}$ und es gilt $g^n=1$.
1.0.3. Satz. Es sei $G$ eine Gruppe.
Die erste und dritte Aussage werden manchmal auch als Teil der Gruppenaxiome formuliert: In einer Gruppe ist eine Rechts-Eins auch eine Links-Eins und als solche eindeutig. Ebenso ist ein Rechts-Inverses auch ein Links-Inverses und als solches eindeutig. Manche mögen das als Haarspalterei ansehen. Die zweite Aussage jedenfalls ist wesentlich. Sie ist es, die das Konzept der Gruppen unentbehrlich für das Rechnen macht.
Beweis.
- Es gilt \begin{align}g^{-1}g&=\left(g^{-1}g\right)e\\
&=\left(g^{-1}g\right)\left(g^{-1}\left(g^{-1}\right)^{-1}\right)\\
&=\left(\left(g^{-1}g\right)g^{-1}\right)\left(g^{-1}\right)^{-1}\\
&=\left(g^{-1}\left(gg^{-1}\right)\right)\left(g^{-1}\right)^{-1}\\
&=\left(g^{-1}e\right)\left(g^{-1}\right)^{-1}\\&=g^{-1}\left(g^{-1}\right)^{-1}=e
\end{align} und \begin{align}eg&=\left(gg^{-1}\right)g\\
&=g\left(g^{-1}g\right)\\
&=ge=g\end{align} - Aus der Gleichung $gx=h$ folgt $$x=ex=\left(g^{-1}g\right)x=g^{-1}\left(gx\right)=g^{-1}h.$$ Analog führt die Gleichung $yg=h$ zu $$y=ye=y\left(gg^{-1}\right)=\left(yg\right)g^{-1}=hg^{-1}.$$ Umgekehrt erfüllen $x=g^{-1}h $ und $y=hg^{-1}$ die Gleichungen $gx=h$ und $yg=h$.
- Die Gleichungen $gx=e$ und $gy=g$ haben, wie soeben gesehen, eindeutige Lösungen.
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1.0.4. Folgerungen.
- Sind $g,h$ Elemente einer Gruppe, so gilt $(gh)^{-1}=h^{-1} g^{-1}$, denn wegen $$gh\left( h^{-1} g^{-1}\right)=g\left(hh^{-1}\right)g^{-1}=geg^{-1}=e$$ ist $h^{-1} g^{-1}$ die eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung $(gh)x=e$.
- Ist $G=\{e,g\}$ eine Gruppe mit zwei Elementen, so gilt $g^2=e$. Es gibt zu $g$ nämlich ein inverses Element in $G$. Wegen $ge=g\not=e$ kommt dafür nur ein Element in Frage: $g^{-1}=g$.
- Sei nun $G=\{e,g,h\}$ eine Gruppe mit drei Elementen. Dann ist $gx=h$ eindeutig lösbar. Es gilt $x\not= e$, da $ge=g\not=h$. Andererseits gilt auch $x\not= h$, da die Gleichung $yh=h$ die eindeutige Lösung $y=e\not=g$ besitzt. Folglich muss gelten $g^2=h, h^2=g, gh=hg=e$. Die Gruppe $G=\{e,g,g^2\}$ ist somit zyklisch.