1.2.1. Definition. Es sei $X\not=\emptyset $ eine Menge. Eine Zerlegung von $X$ ist eine Menge $\{A_i\mid i\in I$ von Teilmengen von $X$ mit
Ist $\{A_i\}$ eine Zerlegung von $X$, so schreiben wir $x\sim y$ für Elemente $x,y\in X$, falls $x$ und $y$ in der gleichen Menge $A_i$ enthalten sind. Daraus ergeben sich die Eigenschaften:
- Reflexivität: $x\sim x$ für alle $x\in X$.
- Symmetrie: Aus $x\sim y$ folgt $y\sim x$.
- Transitivität: Aus $x\sim y$ und $y\sim z$ folgt $x\sim z$.
1.2.2. Definition. Es sei $X$ eine Menge.
1.2.3. Satz. Ist $\sim$ eine Äquivalenzrelation auf einer Menge $X$, so bildet die Menge der Äquivalenzklassen eine Zerlegung von $X$.
Beweis. Es seien $[x]$ und $[y]$ zwei Äquivalenzklassen und es gelte $\emptyset\not=[x]\cap [y]\ni z$. Dann ist zu zeigen $[x]= [y]$. Für ein gegebenes $w\in [x]$ gilt nach Definition $x\sim w$, folglich $w\sim x,x\sim z,z\sim y$. Aus der Transitivität folgt $w\sim y$. Da dies für alle Elemente von $[x]$ gilt, folgt $[x]\subset [y]$. Analog gilt $[y]\subset [x]$.
qed
1.2.4. Beispiele.
- In der Finanzwelt gibt es traditionell keine negativen Zahlen, sondern nur ein System von Soll und Haben: Auf der Menge $\mathbb N\times \mathbb N$ definieren wir eine Äquivalenzrelation $(s,h)\sim (s',h')$, falls es ein $n\in N$ gibt mit $h+s'+n=h'+s+n$. Die Menge der Äquivalenzklassen $\left(\mathbb N\times \mathbb N\right)/\sim$ kann identifiziert werden mit den ganzen Zahlen $ \mathbb Z$ vermittels der Zuordnung $\left[(s,h)\right]\mapsto h-s\in \mathbb Z$.
- Es sei $G$ eine Gruppe, $H\subset G$ eine Untergruppe. Für $g,g'\in G$ schreiben wir $$g\sim g'\,\iff\, g^{-1}\cdot g'\in H.$$ Dies ist eine Äquivalenzrelation:
- $$g\sim g \iff g^{-1}\cdot g=e\in H.$$
- \begin{align} g\sim g' &\iff g^{-1}\cdot g'\in H\\&\implies \left(g^{-1}\cdot g'\right)^{-1}=(g')^{-1}\cdot g\in H\\&\iff g'\sim g \end{align}
- \begin{align}g\sim g', g'\sim g''& \iff \left(g^{-1}\cdot g'\right), \left((g')^{-1}\cdot g''\right) \in H \\&\implies \left(g^{-1}\cdot g'\right)
\cdot \left((g')^{-1}\cdot g''\right)=g^{-1}\cdot g''\in H\\ &\iff g\sim g''.\end{align}
Die Äquivalenzklassen sind von der Form $$[g]=gH=\{gh\mid h\in H\}$$ und werden als Linksnebenklassen von $H$ bezeichnet. Die Menge aller Linksnebenklassen wird mit $G/H$ bezeichnet.
1.2.5. Satz von Lagrange. Es sei $|G|\lt \infty$.
- Ist $H\lt G$, so gilt $$\left|G/H\right|\cdot |H|=|G|,$$ insbesondere ist $|H|$ ein Teiler von $|G|$.
- Für $g\in G$ ist $\mathrm{ord}(g)$ ein Teiler von $|G|$.
Beweis. Die zweite Aussage folgt aus der ersten. Die Linksnebenklassen von $H$ bilden nach 1.2.3. und 1.2.4. eine Zerlegung von $G$. Je zwei Linksnebenklassen enthalten gleich viele Elemente, denn für jedes $g\in G$ ist die Abbildung $$H\to gH,\quad h\mapsto gh$$ bijektiv mit Umkehrabbildung $gH\to H,\, k\mapsto g^{-1}k.$
qed1.2.6. Diedergruppen. Die Diedergruppen $D_n=\langle\sigma_n,\tau\rangle$ für $n\in\mathbb N$ sind Untergruppen der Ordnung $2n$ von $Gl(2,\mathbb R)$. Sie sind jeweils erzeugt von den beiden Elementen $$\sigma_n=\left(\begin{matrix}\cos\left(\frac{2\pi}n\right) & -\sin\left(\frac{2\pi}n\right)\\ \sin\left(\frac{2\pi}n\right)&\cos\left(\frac{2\pi}n\right)\end{matrix}\right)\quad \text{ und }\quad
\tau=\left(\begin{matrix}1 &0\\0&-1\end{matrix}\right).$$ Die Diedergruppe $D_n$ beschreibt die Symmetrien des regelmäßigen $n$-Ecks.1.2.6. Satz. Ist $G$ eine zyklische Gruppe mit sechs Elementen, so ist $G$ entweder isomorph zur zyklischen Gruppe $\mathbb Z/6\mathbb Z$ oder zur Diedergruppe $D_3$.
Beweis. Die Ordnung jedes Gruppenelements in $G$ ist ein Teiler von $6$. Gibt es ein Element $g$ der Ordnung $6$, so ist $G=\langle g\rangle$ zyklisch. Die Annahme, es gebe kein solches Element der Ordnung $6$, führt uns zu einer Fallunterscheidung:
- Alle Elemente $g\in G\setminus\{e\}$ haben Ordnung $2$: Seien $a\not=b $ Elemente in $G\setminus\{e\}$, so hat auch $ab$ die Ordnung $2$ und es gilt $ab=(ab)^{-1}=b^{-1}a^{-1}=ba$. Dann ist aber $\{e,a,b,ab\}$ eine Untergruppe der Ordnung $4$ in $G$ im Widerspruch zum Satz von Lagrange.
- Alle Elemente $g\in G\setminus\{e\}$ haben Ordnung $3$: In diesem Fall wäre die bijektive Abbildung $$G\setminus\{e\}\to G\setminus\{e\}, \quad g\mapsto g^{-1}$$ fixpunktfrei, das hieße, es gäbe kein Element mit $g=g^{-1}$. Damit zerfiele die $5$-elementige Menge $G\setminus\{e\}$ in Paare zueinander inverser Elemente. Das kann aber nicht sein.
- Es gibt ein Element $a$ der Ordnung $2$ und ein Element $b$ der Ordnung $3$: Dann ist $H=\{1,b,b^2\}$ eine Untergruppe und $G=H\sqcup aH$. Die Gruppe besteht also aus den Elementen $G=\{e, b,b^2, a, ab, ab^2\}$. Es bleibt, die Multiplikationstabelle zu bestimmen. Entscheidend ist das Element $ba$. Zuerst einmal gilt $ba\not\in H$, da $b^2\cdot ba=a\not\in H$. Außerdem gilt $ba\not= a$, da $b$ nicht das neutrale Element ist. Somit bleiben nur die beiden Möglichkeiten $ba=ab$ oder $ba=ab^2$. Im Falle $ba=ab$ gilt $\mathrm{ord}(ba)=6$ und folglich ist $G=\mathbb Z/6\mathbb Z$. Ansonsten gilt $ba=ab^2$. Die Abbildung $\phi\colon G\to D_3, \phi(a)=\tau, \phi(b)=\sigma_3$ ist dann ein Isomorphismus.
qed