Dualraum

Beschreibt eine Matrix $A$ eine lineare Abbildung zwischen zwei, mit geordneten Basen versehenen, endlich dimensionalen Vektorräumen, so beschreibt die transponierte Matrix $A^t$ die duale Abbildung. Ziel dieses Abschnittes ist es, diese Aussage zu konkretisieren. Dazu konstruieren wir erst eine dualen Vektorraum, eine duale lineare Abbildung und schließlich duale geordnete Basen.

Definition. Ist $V$ ein Vektorraum über $K$, so heißt $V^*=\hom_K(V, K)$ der Dualraum zu $V$. Elemente $L\in V^*$ heißen Linearformen auf $V$.

Satz. Es existiert eine kanonische Abbildung $\theta\colon V\to (V^*)^*$ von $V$ in sein Biduales, definiert durch $$ v\mapsto \left(L\mapsto L(v)\right) $$ Diese Abbildung ist injektiv. Ist $V$ endlich dimensional, so ist $\theta$ bijektiv.

Beweis. Für einen Vektor $v\in V$ ist die Auswertungsabbildung $\mathrm{ev}_v:V^*\to K$ definiert durch die Vorschrift $\mathrm{ev}_v(L)=L(v)$. Die Abbildung $\mathrm{ev}_v$ ist linear, also ein Element in $\hom(V^*,K)$: \begin{align*}
\mathrm{ev}_v(L+L')&=(L+ L')(v)=L(v)+ L'(v)=\mathrm{ev}_v(L)+ \mathrm{ev}_v(L')\\
\mathrm{ev}_v(k L)&=(k L)(v)=k\left(L(v)\right)= k\left(\mathrm{ev}_v(L)\right).
\end{align*} Die Zuordnung $\theta:v\mapsto \mathrm{ev}_v\in \hom(V^*,K)$ ist linear:
\begin{align*}
\mathrm{ev}_{v+v'}(L)&=L(v+v')=L(v)+L(v')=\mathrm{ev}_v(L)+\mathrm{ev}_{v'}(L)\\
\mathrm{ev}_{k v}(L)&=L(k v)=k\left(L(v)\right)=k\left(\mathrm{ev}_v(L)\right).
\end{align*} Zu zeigen bleibt die Injektivität $\ker(\theta)= 0$. Ist $v\neq 0$ ein Vektor in $V$, so gibt es eine Basis $B\subset V$, die diesen Vektor enthält. Wir definieren die Linearform $L\colon V\to K$ auf dieser Basis durch $L(v)=1$ und $ L(v')= 0$ für $v'\in B\setminus\{v\}$. Es ist $\theta(v)(L)=L(v)=1$. Somit kann $v$ nicht im Kern von $\theta$ liegen.
Ist $\dim(V)=n$, so ist nach Wahl einer geordneten Basis von $V$ der Vektorraum $\hom_K(V,K)$ isomorph zu dem Raum der $1\times n$-Matrizen. Insbesondere gilt $\dim(V)=\dim(V^*)=\dim\left((V^*)^*\right)$ und folglich ist die injektive Abbildung $\theta$ bijektiv.
qed

Beispiel. Es sei $V=K[X]$ der Vektorraum der Polynome. Eine Linearform $L\in V^*$ ist durch die Werte $a_i=L(X^i)$ auf der Basis der Monome eindeutig bestimmt. Diese Werte sind beliebig wählbar. Damit wird $V^*$ beschreibbar als Menge aller unendlichen Folgen $(a_0, a_1 \ldots)$ mit $a_i\in K$. Der Vektorraum $V^*$ besitzt insbesondere eine überabzählbare Basis. Der Vektorraum $V$ dagegen besitzt nur eine abzählbare Basis. Insbesondere kann $V^*$ nicht isomorph zu $V$ sein. Dies ist ein allgemeines Phänomen: Ist $V$ unendlich dimensional, so ist die Mächtigkeit einer Basis von $V$ echt kleiner als die Mächtigkeit einer Basis des Dualraums $V^*$.

Satz. Ist $f:V\to W$ eine lineare Abbildung, so induziert $f$ eine lineare Abbildung $f^*\colon W^*\to V^*$ durch $f^*(L)=L\circ f$ für eine Linearform $L\in W^*$. Es gilt $id_V^*=id_{V^*}$ und $g^*\circ f^*=(f\circ g)^*$.

Beweis. Die Abbildung $f^*$ war bereits im Kapitel Vektorräume von Homomorphismen definiert worden. Es gilt $id_V^*(L)=L\circ id_V=L=id_{V^*}(L)$. Ist $g:U\to V$ linear, so ist $$(f\circ g)^*(L)=L\circ(f\circ g)=(L\circ f)\circ g= g^*(L\circ f)=g^*(f^*(L))=g^*\circ f^*(L).$$ qed

Im Folgenden betrachten wir endlich dimensionale Vektorräume. Sei $B\subset V$ eine Basis. Für $v\in B$ definieren wir eine Linearform $v^*\in V^*$ durch $$
v^*(v')=\begin{cases}1& \text { falls }\; v'=v\\
0& \text { falls }\; v'\in B\smallsetminus\{v\}
\end{cases}
$$

Satz. Es sei $B \subset V$ Basis eines endlich dimensionalen Vektorraums. Dann bildet die Menge $B^*=\{v^*\;|\; v\in B\}$ von Linearformen auf $V$ eine Basis von $V^*$. Man nennt $B^*$ die duale Basis.

Beweis. Die Zuordnung $v\mapsto v^*$ für $v\in B$ definiert eine lineare Abbildung $f\colon V\to V^*$. Die Abbildung ist injektiv: Ist nämlich $\sum k_i v^*_i=0$ so gilt $ \sum^n_{i=1} k_i
v^*_i(v_j)=k_j=0$ für $v_j\in B$. Somit ist diese Abbildung auch surjektiv, zumal $V$ und $V^*$ die gleiche Dimension besitzen.
qed

Bemerkung. Die Notation $v^*$ für Elemente der dualen Basis ist mit Vorsicht zu genießen. Sie suggeriert, dass die Linearform $v^*$ schon vollständig durch den Vektor $v\in V$ bestimmt sei. Dies ist nicht der Fall. Um $v^*$ festzulegen, bedarf es neben $v$ auch eines zu $v$ komplementären Untervektorraums $U\subset V$, nämlich des Kerns von $v^*$. Dieser Untervektorraum $U=\langle B\setminus \{v\}\rangle$ wird durch die restlichen Basisvektoren festgelegt.

Satz. Sind $\mathcal{V}$ und $\mathcal{W}$ geordnete Basen von endlich dimensionalen Vektorräumen $V$ und $W$ und ist $f\colon V\to W$ eine lineare Abbildung, so gilt $$M^{\mathcal{W}^*}_{\mathcal{V}^*}(f^*)=
\big(M^{\mathcal{V}}_{\mathcal{W}}(f)\big)^t$$.

Beweis. Ist $f$ auf der Basis $\mathcal V$ beschrieben durch
$$f(v_j)=\sum^m_{i=1} a_{i j} w_i,$$ so bilden die Koeffizienten die Einträge der Matrix
$$M^{\mathcal{V}}_{\mathcal{W}}(f)=(a_{i j})_{\substack{i=1,\ldots
m\\j=1,\ldots n}}.
$$ Wir betrachten nun die Linearform $w^*_{i}\colon W\to K$. Die Linearform $f^*(w^*_i)\colon V\to K$ ist gegeben durch
$$
(f^*(w^*_i))(v_j)= w^*_i(f(v_j))=
w^*_i\left(\sum^m_{k=1}a_{kj}w_k\right)=\sum^m_{k=1}a_{kj}w^*_k(w_i)=a_{ij}.
$$ Also gilt
$$
f^*(w^*_i)=\sum^n_{j=1}a_{i j}v^*_j,$$ das heißt,
$$M^{\mathcal{W^*}}_{\mathcal{V^*}}(f^*)=(a_{i j})_{\substack{j=1,\ldots
n\\i=1,\ldots m}}
$$ ist die transponierte Matrix.
qed

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