6.2.1. Definition. Eine nicht-leere zusammenhängende Überlagerung \(p\colon E\to B\) eines zusammenhängenden topologischen Raumes heißt galoisch, wenn die Decktransformationsgruppe \(Aut_B(E)\) transitiv auf jeder Faser \(E_b:=p^{-1}(\{b\})\) operiert.
6.2.2. Satz. Sind \(E,B\) nicht-leere, zusammenhängende Räume und \(p\colon E\to B\) eine Überlagerung, so sind äquivalent:
Beweis.
- \(\implies\)ii: Ist \(p\colon E\to B\) galoisch, so operiert nach Definition die Gruppe \(\mathrm{Aut}_B(E)\) transitiv auf jeder Faser \(E_b\). Die Gruppenoperation ist sogar frei: Sei nämlich ein \(e\in E\) und ein \(g\in \mathrm{Aut}_B(E)\) gegeben mit \(ge=e\), so sind \(\mathrm{id}_E\) und \(g\) zwei Hochhebungen der separierten étalen Abbildung \(p\), die an einem Punkt gleiches Bild haben. Da \(E\) zusammenhängend ist, liefert 5.4.8. die Eindeutigkeit von Hochhebungen \(g=\mathrm{id}_E\).
Wegen der Transitivität der Gruppenoperation auf den Fasern von \(p\) faktorisiert die Abbildung \(p\) über eine injektive und stetige Abbildung \(\rho\colon E/\mathrm{Aut}_B(E)\to B\) des Bahnenraums der Gruppenoperation. Nach 6.0.9. ist \(\rho\) surjektiv. Da sowohl \(p\) als auch die Quotientenabbildung \(E\to E/\mathrm{Aut}_B(E)\) stetig und offen sind, ist \(\rho\) homöomorph.
Die Decktransformationsgruppe \(\mathrm{Aut}_B(E)\) operiert auf \(E\) von links. Ist \((G,m)\) eine Gruppe mit Multiplikation \(m\colon G\times G\to G\), so bezeichne \((G^0,m^0)\) die Gruppe mit Gruppenmultiplikation \(m^0(g,h):=m(h,g)\). Dadurch wird \(E\) zu einem \(\mathrm{Aut}_B^0(E)\)-Hauptfaserbündel mit Gruppenwirkung \begin{eqnarray}E\times \mathrm{Aut}_B^0(E)&\to&E\\(e,g)&\mapsto&eg:=g(e).\end{eqnarray} - \(\implies\)iii: Die Gruppenwirkung induziert einen Homöomorphismus \begin{eqnarray}
\theta\colon E\times G&\to &E\times_BE\\(e,g)&\mapsto&(e,eg).\end{eqnarray} Die Umkehrabbildung \(\theta^{-1}\) ist die gesuchte Trivialisierung. - \(\implies\)i: Es sei \(\varphi\colon E\times_BE\to E\times F\) eine Trivialisierung und \(e_0,e_0'\in E_b\) gegeben. Ist dann \(\varphi(e_0,e_0')=(e_0,f)\), so definiert die Zuordnung \[h\colon E\to E,\quad e\mapsto \mathrm{pr}_2\circ \varphi^{-1}(e,f)\] einen Morphismus von Überlagerungen von \(B\) mit \(h(e_0)=e_0'\). Da \(E\) zusammenhängend ist, ist dieser Morphismus von Überlagerungen aufgrund der Eindeutigkeit von Hochhebungen durch die Eigenschaft \(h(e_0)=e_0'\) eindeutig bestimmt.
Vertauschen wir die Rollen von \(e_0\) und \(e_0'\), so erhalten wir in analoger Weise einen Morphismus \(h'\colon E\to E\) von Überlagerungen von \(B\) mit \(h'(e_0')=e_0\). Wegen \(h\circ h'(e_0')=e_0'\) und \(h'\circ h(e_0)=e_0\) liefert die Eindeutigkeit von Hochhebungen \(h\circ h'=h'\circ h=\mathrm{id}_E\) und damit \(h\in Aut_B(E)\).
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6.2.3. Definition. Es sei \(q\colon P\to B\) ein \(G\)-Hauptfaserbündel für eine diskrete Gruppe \(G\) und \(F\) ein diskreter \(G\)-Links-Raum. Den Bahnenraum \(P\times^GF\) der linken \(G\)-Operation \[G\times P\times F\to P\times F,\quad (g,p,f)\mapsto (pg^{-1},gf), \] zusammen mit der Abbildung \(P\times^GF\to B, [p,f]\mapsto q(p)\) nennt man das zum Hauptfaserbündel \(P\) assoziierte Faserbündel vom Fasertyp \(F\).
6.2.4. Bemerkung. Die obige \(G\)-Operation ist frei und stetig und der Bahnenraum ist in kanonischer Weise eine Überlagerung von \(B\).
6.2.5. Definition. Ein topologischer Raum \(X\) heißt lokal zusammenhängend, wenn jede Umgebung eines jeden Punktes eine zusammenhängende offene Umgebung des besagten Punktes enthält.
Mit anderen Worten ist ein topologischer Raum \(X\) genau dann lokal zusammenhängend, wenn er eine Basis der Topologie besitzt, welche nur aus zusammenhängenden offenen Mengen besteht.
6.2.5. Satz. Es sei \(B\) ein nicht-leerer, zusammenhängender und lokal zusammenhängender topologischer Raum, und \(q\colon X\to B\) eine Überlagerung. Dann ist \(X\) assoziiert zu einer Galois-Überlagerung.
Beweis. Es sei \(X_{b}:=q^{-1}(b)\) die Faser über dem Punkt \(b\in B\). Die Eigenschaft, dass die Fasern über den jeweiligen Punkten gleiche Kardinalität haben, d.h. es gibt bijektive Abbildungen dazwischen, definiert eine Äquivalenzrelation auf \(B\). Wegen der lokalen Trivialität sind die Äquivalenzklassen offen in \(B\). Da \(B\) zusammenhängend ist, gibt es eine einzige Äquivalenzklasse, repräsentiert durch eine diskrete Menge \(F\).
Wir betrachten die Garbe \(\mathcal I=\mathcal{Iso}_B(B\times F,X)\) auf \(B\), die jeder offenen Menge \(U\subset B\) die Menge \[ \mathcal{Iso}_B(U\times F; q^{-1}(U)):=\left\{\phi\colon U\times F\to q^{-1}(U)\mid \phi \text{ stetig, bijektiv}, q\circ\phi=\mathrm{pr}_1\right\}\] der lokalen Isomorphismen von Überlagerungen zuordnet. Da \(B\) lokal zusammenhängend ist, ist \(\mathcal I\) eine lokal konstante Garbe. Der Halm \(\mathcal I_b\) für \(b\in B\) ist kanonisch äquivalent zur Menge \(Bij(F;X_b)\) der bijektiven Abbildungen von \(F\) in die Faser \(X_b\). Der Étalraum \(p\colon E:=E_\mathcal I\to B\) dieser Garbe ist also eine Überlagerung. Elemente \([U,\phi,b]\in E\) sind beschrieben durch eine offene, zusammenhängende Umgebung \(U\subset B\) von \(b\), sowie einem Homöomorphismus \(\phi\colon U\times F\to q^{-1}(U)\) mit \(q\circ \phi=\mathrm{pr}_1\). Es bezeichne \(G=Bij(F;F)\) die Permutationsgruppe von \(F\). Eine rechte Gruppenwirkung auf \(E\) wird dann beschrieben durch \[E\times G\to E; \quad \left([U,\phi,b],g\right)\mapsto [U,\phi\circ g,b].\] Die Gruppe \(G\) operiert frei und transitiv auf jeder Faser und macht \(E\) zu einem \(G\)-Hauptfaserbündel.
Es sei \(E_0\) eine Zusammenhangskomponente von \(E\) und \(G_0\subset G\) die Untergruppe, die \(E_0\) in sich überführt. Dann ist \(E_0\) eine Galoisüberlagerung mit Galois-Gruppe \(G_0\). Die Abbildung \[
h\colon E_0\times F\to X,\quad \left([U,\phi,b],f\right)\mapsto \phi(b,f)
\] ist äquivariant im folgenden Sinne: Ist \(g\in G_0\), so gilt \[h\left([U,\phi,b]g^{-1},gf\right)=h\left([U,\phi\circ g^{-1},b],gf\right)=\phi\circ g^{-1}(b,gf)=\phi(b,f),\] faktorisiert folglich durch eine stetige und bijektive Abbildung \(h'\colon E_0\times^{G_0}F\to X\) von Überlagerungen von \(B\). Bijektive Morphismen von Überlagerungen sind aber Homöomomorphismen.
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