6. Überlagerungen

6.0.1. Definition. Eine stetige Abbildung \(p\colon E\to B\) heißt Überlagerung, falls es zu jedem Punkt \(b\in B\) eine Umgebung \(V\) gibt, sowie einen Homöomorphismus \(\phi_V\colon p^{-1}(V)\to V\times F\) mit \(\mathrm{pr_1}\circ \phi_V=p|_{p^{-1}(V)}\), wo \(F\) ein diskreter Raum ist. Man sagt auch, \(p\) sei eine lokal triviale Faserung mit diskreter Faser \(F\). Der Raum \(B\) heißt Basis der Überlagerung. Eine Überlagerung heißt trivialisierbar, wenn es einen Homöomorphismus \(\phi_B\colon E\to B\times F\) mit \(\mathrm{pr_1}\circ \phi_V=p\) gibt.

6.0.2. Bemerkungen.

  1. Eine stetige Abbildung \(p\colon E\to B\) ist genau dann eine trivialisierbare Überlagerung, wenn es eine disjunkte Zerlegung \(E=\coprod_{i\in I}A_i\) in offene Unterräume gibt, so dass für jedes \(i\in I\) die Abbildung \(p|_{A_i}\colon A_i\to B\) ein Homöomorphismus ist. Gibt es nämlich eine Trivialisierung \(\phi_B\colon E\to B\times F\), so bilden die Urbilder \(A_i:=\phi_B^{-1}\left(B\times \{i\}\right)\) für \(i\in F\) eine disjunkte Zerlegung in offene Unterräume und die Abbildungen \(b\mapsto \phi_B^{-1}(b,i)\) einen zu \(p|_{A_i}\) inversen Homöomorphismus. Umgekehrt lässt sich aus einer disjunkten Zerlegung \(E=\coprod_{i\in I}A_i\) und Homöomorphismen \(p|_{A_i}\) eine stetige Abbildung \(p\colon E\to B\), sowie eine stetige Abbildung \(\phi_B\colon E\to B, e\mapsto (p(e),i)\) konstruieren, wo \(i\) der eindeutig bestimmte Index ist, für den gilt \(e\in A_i\).
  2. Diese Beschreibung trifft insbesondere auf trivialisierende offene Umgebungen von Punkten in der Basis einer Überlagerung zu. Eine Überlagerung ist folglich étale und separiert.

Es liegt nahe, die Garben, deren Étalräume Überlagerungen sind, zu charakterisieren.

6.0.3. Definition. Eine Garbe \(\mathcal G\) auf einem topologischen Raum \(B\) heißt lokal konstant, wenn jeder Punkt in \(B\) eine offene Umgebung \(V\) besitzt, so dass die Einschränkung \(\mathcal G|_V\) der Garbe auf \(V\) isomorph zu einer konstanten Garbe auf \(V\) ist.

Die konstante Garbe \(\mathcal F\) auf einem topologischen Raum \(X\) mit Werten in \(F\) ist die Garbifizierung der konstanten Prägarbe mit Werten in \(F\) aus Beispiel 5.1.3. mit Halm \(\mathcal F_x=F\) an jedem Punkt \(x\in X\).

6.0.4. Satz. Eine Garbe ist genau dann lokal konstant, wenn der zugehörige Étalraum eine Überlagerung ist.

Beweis. Eine Garbe \(\mathcal F\) auf dem topologischen Raum \(B\) ist genau dann konstant, wenn der zugehörige Étalraum \(E_\mathcal F\) eine triviale Überlagerung \(B\times F,\mathrm{pr_1})\) ist. Ist \(V\) ein offener Unterraum von \(B\), so ist der zu \(\mathcal F|_V\) assoziierte Étalraum über \(V\) gegeben durch die Einschränkung des Étalraums \(p\colon E_\mathcal F\to B\) auf \(p^{-1}(V)\). Die Aussage des Satzes folgt.
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6.0.5. Beispiele.

  • Die bereits öfter angebrachte Exponentialabbildung $$\mathbb R\to S^1, \quad t\mapsto \exp(2\pi it)$$ ist eine nicht-triviale Überlagerung mit Faser $\mathbb Z$. Jeder Kreisbogen der Länge kleiner als $2\pi$ ist eine trivialisierende offene Menge.
  • Für jedes $k\not=0$ ist die Abbildung $$S^1\to S^1,\quad z\mapsto z^k$$ eine Überlagerung mit $k$-elementiger Faser. Jeder Kreisbogen der Länge kleiner als $2\pi$ in der Basis bildet eine trivialisierende offene Menge.
  • Die Identifizierungsabbildung $S^n\to \mathbb RP^n$ ist eine zweiblättrige Überlagerung. Ist nämlich $V$ eine offene Teilmenge von $S^n$ ohne Antipodenpunkte, so gilt für $U=p(V)$ $$p^{-1}U=V+(-V)\cong U\times \mathbb Z/2\mathbb Z.$$

6.0.6. Konstruktionen von Überlagerungen. Es sei $p\colon E\to B$ eine Überlagerung.

  • Ist $f\colon B'\to B$ stetig, so ist der Basiswechsel $p'\colon E\times_BB'\to B'$ eine Überlagerung.
  • Ist $g\colon B\to C$ eine Überlagerung mit endlichen Fasern, so ist die Komposition $gp\colon E\to C$ eine Überlagerung, der Transfer von $p$ entlang $g$.
  • Ist $p''\colon E''\to B''$ eine Überlagerung, so sind auch direkte Summe und direktes Produkt Überlagerungen $$p\sqcup p''\colon E\sqcup E''\to B\sqcup B'',\quad\text{und}\quad
    p\times p''\colon E\times E''\to B\times B'' .$$
  • Ist $q\colon E'\to B$ eine weitere Überlagerung zur Basis $B$, so erhält man die interne Summe der beiden Überlagerungen $p$ und $q$ durch Transfer der direkten Summe $$\nabla\circ (p\sqcup q)\colon E\sqcup E'\to B$$ entlang der Kodiagonalen $\nabla=(\mathrm{id}\sqcup\mathrm{id})\colon B\sqcup B\to B$. Das interne Produkt der beiden Überlagerungen entsteht durch Basiswechsel des direkten Produktes $p\times q\colon E\times E'\to B\times B$ entlang der Diagonalen $\Delta=(\mathrm{id},\mathrm{id})\colon B\to B\times B$.

6.0.7. Definition. Die Objekte der Kategorie $\mathcal {COV}(B)$ der Überlagerungen von $B$ sind Überlagerungen $p\colon E\to B$ von $B$. Die Morphismen von $p\colon E\to B$ nach $p'\colon E'\to B$ sind stetige Abbildungen $f\colon E\to E'$ über $B$, d.h. solche, für die gilt $p'\circ f=p$. Die Automorphismengruppe \(Aut_B(E)\) eines Objekts $p\colon E\to B$ wird die Decktransformationsgruppe von $p$ genannt.

6.0.8. Bemerkung. Ist \(p\colon E\to B\) eine Überlagerung von nicht-leeren, zusammenhängenden Räumen, so ist \(p\) surjektiv. Ist nämlich \(b\in B\) im Abschluss des offenen Bildes \(p(E)\subset B\), und ist \(p^{-1}(V)\cong V\times F\) eine Trivialisierung des Urbilds einer offenen Umgebung \(V\) von \(b\), so ist \(F\not=\emptyset\) und folglich \(b\in p(E)\).

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