1.2. Topologische Räume

Der Begriff der Topologie ist konzipiert, um Stetigkeit in allgemeinem Umfeld definieren zu können.

1.2.1. Definition. Es sei $X$ eine Menge und es bezeichne $\mathfrak P(X)$ die Potenzmenge von $X$, das heißt die Menge aller Teilmengen von $X$ . Eine Teilmenge ${{{\mathcal T}}}\subset \mathfrak P(X)$ nennt man eine Topologie auf $X$, wenn sie folgenden Axiomen genügt:

  1. Eine Vereinigung beliebig vieler Mengen aus ${\mathcal T}$ ist wieder in ${\mathcal T}.$
  2. Der Durchschnitt endlich vieler Mengen aus ${{\mathcal T}}$ ist wieder in ${\mathcal T}.$
  3. Sowohl die leere Menge $\emptyset$, als auch $X$ sind in ${\mathcal T}.$

Die Elemente von ${\mathcal T}$ werden als die offene Mengen des topologischen Raums $(X,{\mathcal T})$ bezeichnet.

Als formale Konvention kann man die Vereinigung über eine leere Indexmenge definieren als die leere Menge. Analog kann man $X$ als den Durchschnitt über eine leere Indexmenge setzen. Mit diesen Konventionen folgt das dritte Axiom aus den beiden ersten. Meist schreibt man für $(X,{\mathcal T})$ abkürzend $X$ mit der stillschweigenden Konvention, dass die Topologie bekannt sei. Sind $\mathcal T$ und $\mathcal S$ Topologien auf $X$, und gilt $\mathcal S\subset \mathcal T$, so nennt man $\mathcal S$ gröber und $\mathcal T$ feiner als die jeweils andere Topologie.

1.2.2. Beispiele.

  • Die diskrete Topologie $\mathcal T=\mathfrak P(X)$ ist die feinstmögliche auf $X$.
  • Die gröbstmögliche Topologie $\{\emptyset, X\}$ nennt man Klumpentopologie.
  • Die offenen Mengen in der metrische Topologie eines metrischen Raums $(X,d)$ enthalten mit jedem Punkt $x$ noch eine $\varepsilon$-Umgebung $U_\varepsilon(x)=\{u\in X\mid d(u,x)\lt\varepsilon\}$ für ein $\varepsilon\gt 0$.
  • Das Spektrum $\mathrm{Spec}(R)$ eines kommutativen Rings mit $1$ ist die Menge der Primideale von $R$. Zur Erinnerung: Ein Ideal $I\subset R$ ist eine additive Untergruppe mit $R\cdot I=I$. Ein Ideal $\mathfrak p\subsetneq R$ heißt prim, falls $$\left(R\setminus \mathfrak p\right)\cdot \left(R\setminus \mathfrak p\right)\subset \left(R\setminus \mathfrak p\right).$$ Für eine Menge $S\subset R$ besteht $$U(S)=\{\mathfrak p\mid S\not\subset
    \mathfrak p\}\subset \mathrm{Spec}(R)$$ aus denjenigen Primidealen, die diese Teilmenge nicht enthalten. Die Menge $\mathcal Z=\{U(S)\mid S\subset R\}$ bildet die Zariski-Topologie auf $\mathrm{Spec}(R)$: Es gilt $\emptyset =U(0), \mathrm{Spec}(R)=U(1)$, sowie $$ U(S_1\cdot S_2)=U(S_1)\cap U(S_2),\quad U(\cup_IS_i)= \cup_I U(S_i).$$ Die Zariski-Topologie spielt eine Rolle in der algebraischen Geometrie.

1.2.3. Definition. Eine Abbildung $f:X\to Y$ zwischen topologischen Räumen $X$ und $Y$ heißt stetig, falls das Urbild $f^{-1}(V)$ jeder offenen Menge $V$ in $Y$ offen in $X$ ist.

Stetigkeit an einem Punkt ist entsprechend definiert:

1.2.4. Definition. Es seien $f:X\to Y$ eine Abbildung zwischen topologischen Räumen und $x\in X$.

  • Eine Teilmenge $M\subset X$ heißt Umgebung des Punktes $x\in X$, falls es eine offene Menge $U\subset X$ gibt mit $x\in U\subset M$.
  • Die Abbildung $f$ heißt stetig in $x$, wenn für jede Umgebung $V\subset Y$ von $f(x)$ das Urbild $f^{-1}(V)\subset X$ eine Umgebung von $x$ ist.

1.2.5. Beispiele.

  • Die identische Abbildung ist stetig, wie auch die Komposition $f\circ g$ stetiger Abbildungen.
  • Jede Abbildung $f\colon X\to Y$ zwischen topologischen Räumen ist stetig, falls $X$ die diskrete Topologie oder $Y$ die Klumpentopologie trägt.
  • Eine Abbildung zwischen metrischen Räumen ist genau dann stetig in der metrischen Topologie, wenn sie stetig im Sinne der $\varepsilon$-$\delta$-Definition ist.
  • Ein Ringhomomorphismus $\phi\colon R'\to R$ induziert eine Abbildung $\phi^*\colon \mathrm{Spec}(R)\to \mathrm{Spec}(R')$ vermittels $\phi^*(\mathfrak p)=\phi^{-1}(\mathfrak p)$. Die Stetigkeit von $\phi^*$ beruht auf der Gleichung $$\left(\phi^*\right)^{-1}\left(U(S')\right)=U\left(\phi(S')\right).$$

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