5.4. Analytische Fortsetzung

Als Vorbemerkung eine wichtige, bislang noch nicht gemachte, allgemeine Tatsache für étale Abbildungen.

5.4.1. Proposition. Das Pull-back \[\begin{matrix}
E'&\xrightarrow{f'}&E\\
{\scriptstyle p'}\downarrow\phantom{\scriptstyle p''}&&\phantom{\scriptstyle p}\downarrow{\scriptstyle p}\\
X'&\xrightarrow{f}&X
\end{matrix}\] \(p'\) einer étalen Abbildung \(p\) entlang einer stetigen Abbildung \(f\) ist étale.

Beweis. Wir zerlegen den Beweis in mehrere Schritte und beweisen nebenbei mehrere allgemeinere Aussagen.

  1. Ein endliches Produkt offener Abbildungen ist offen. Es seien \(\pi_i\colon A_i\to B_i\) stetige und offene Abbildungen. Mengen der Form \(\prod_{i\in I}U_i\), mit \(U_i\subset A_i\) offen bilden eine Basis der Topologie auf \(\prod_IA_i\). Diese werden abgebildet auf offene Mengen der Form \(\prod_{i\in I}\pi_i(U_i)\subset \prod_IB_i\). Wegen \(g\left(\cup_JW_j\right) = \cup_Jg(W_j)\) folgt die Aussage.
  2. Ist \(\pi\colon A\to B\) offen und \(C\subset B\) ein Unterraum, so ist die Einschränkung \(\pi^{-1}(C)\xrightarrow{\pi} C\) offen. Ist \(U\subset \pi^{-1}(C)\) offen, so existiert eine in \(A\) offene Menge \(V\) mit \(U=V\cap \pi^{-1}(C)\). Dann ist \(p(V)\) offen in \(B\) und folglich \(\pi(U)=\pi(V)\cap C\) offen in \(C\).
  3. Anwendung von i) liefert, dass die Abbildung \( \mathrm{id}_{X'}\times p\colon X'\times E\to X'\times X\) offen ist. Wir erkennen \(E'\) als Urbild des zu \(X'\) homöomorphen Graphen \( \{\left(x',f(x')\right)\mid x'\in X'\}\subset X'\times X\) von \(f\) und folgern mittels ii) die Offenheit von \(p'\).
  4. In dem Diagramm von Faserprodukten \[\begin{matrix}
    E'\times_{X'}E'&\xrightarrow{\varphi:=f'\times\; f'}&E\times_XE\\
    {\scriptstyle p'}\downarrow\phantom{\scriptstyle p''}&&\phantom{\scriptstyle p}\downarrow{\scriptstyle p}\\
    X'&\xrightarrow{f}&X
    \end{matrix}\] gilt \(\varphi^{-1}\left(\Delta_E\right)=\Delta_{E'}\).
    Es ist \(E'=X'\times_XE\). Ist nun \(\left((x',e_1),(x',e_2)\right)\) ein Element in \(E'\times_{X'}E'\) mit \(x'\in X'\) und \(e_1,e_2\in E\), so ist dies Element in \(\varphi^{-1}\left(\Delta_E\right)\) genau dann, wenn gilt \(e_1=e_2\).
  5. Da \(p\) étale ist, ist \(\Delta_{E}\) offen in \( E\times_XE\). Das Urbild \(\Delta_{E'}\) unter der stetigen Abbildung \(\varphi\) ist folglich offen in \( E'\times_{X'}E'\). Folglich ist \(p'\) étale.

qed

5.4.2. Definition. Eine stetige Abbildung \(f\colon Y\to X\) heißt separiert, falls die Diagonale \(\Delta_Y\subset Y\times_XY\) abgeschlossen ist.

Nach Satz 3.2.3. ist der Raum \(Y\) genau dann Hausdorffsch, wenn die Abbildung \(Y\to *\) in einen einpunktigen Raum separiert ist. Die folgende Aussage ist also eine Verallgemeinerung dieses Satzes.

5.4.3. Satz. Eine stetige Abbildung \(f\colon Y\to X\) ist genau dann separiert, wenn es zu je zwei verschiedenen Elementen \(y_1,y_2\in Y\) mit \(f(y_1)=f(y_2)\) disjunkte, sie enthaltende Umgebungen \(V_1\) und \(V_2\) gibt.

Beweis. Ist \((y_1,y_2)\in Y\times_XY\) und seien \(V_1\) und \(V_2\) Umgebungen von \(y_1\) und \(y_2\). Die Bedingung \(V_1\cap V_2=\emptyset\) ist äquivalent zur Bedingung \(\left(V_1\times V_2\right)\cap \Delta_Y=\emptyset\) und insbesondere \[\left(V_1\times V_2\right)\cap \left(Y\times_XY\right)\cap \Delta_Y=\emptyset.\] Die Aussage folgt, da die Mengen \(\left(V_1\times V_2\right)\cap \left(Y\times_XY\right)\) eine Umgebungsbasis des Punktes \((y_1,y_2)\) in \(\left(Y\times_XY\right)\) bilden.
qed

5.4.4. Beispiel. Es sei \(p\colon E_{\mathcal O_\mathbb C}\to \mathbb C\) der Étalraum der Garbe der holomorphen Funktionen auf \(\mathbb C\). Die Abbildung \(p\) ist separiert.

Beweis. Ist \(([U_1,f_1,z_0],[U_2,f_2,z_0])\in E_{\mathcal O_\mathbb C}\times_\mathbb CE_{\mathcal O_\mathbb C}\), so werden die beiden holomorphen Funktionen \(f_1\) und \(f_2\) in \(z_0\) jeweils durch konvergente Potenzreihen der Form \(\sum_na_n(z-z_0)^n\) dargestellt. Angenommen, die beiden Potenzreihen sind verschieden. Dann gibt es nach einem Satz aus der Analysis 1 (Vgl. 2.2.9) eine offene Umgebung \(U\subset U_1\cap U_2\) von \(z_0\), in der die beiden Funktionen höchstens an einer Stelle einen gemeinsamen Funktionswert besitzen. Die Keime \([U,f_1,z]\) und \([U,f_2,z]\) der beiden holomorphen Funktionen sind in jedem Punkt \(z\in U\) dieser offenen Umgebung von \(z_0\) folglich verschieden.
qed

Die komplex projektive Kurve \(P^1:=\mathbb CP^1\) wird oft auch Riemannsche Zahlenkugel genannt. Man kann sie als Einpunkt-Kompaktifizierung von \(\mathbb C\) vermittels der Einbettung \[\mathbb C\to \mathbb CP^1,\quad z\mapsto [z:1]\] verstehen. Der Punkt \([1:0]\in \mathbb CP^1\) wird als der unendlich ferne Punkt \(\infty\) bezeichnet. Eine auf einer Umgebung \(U\) von \(\infty\), das heißt für alle \(z\in \mathbb C\) mit \(|z|\gt R\), definierte holomorphe Funktion \(f\colon U\to\mathbb C\) heißt fortsetzbar nach \(\infty\), falls die Funktion \[z\mapsto f\left(\frac1z\right)\] holomorph in den Nullpunkt hinein fortsetzbar ist.

Wendet man 5.4.4. auf die beiden Karten \(U_0\) und \(U_1\) an, so folgt, dass auch der Étalraum \[p\colon E_{\mathcal O_{P^1}}\to P^1\] der Garbe der holomorphen Funktionen auf der Riemannschen Zahlenkugel separiert ist.

5.4.5. Definition. Es sei \(f=\sum_{n=0}^\infty a_n(z-z_0)^n\in \mathcal O_{\mathbb C, z_0}=\mathcal O_{P^1, z_0}\) eine im Konvergenzkreis \(U\) um den Punkt \(z_0\in \mathbb C\) konvergente Potenzreihe. Die Zusammenhangskomponente \(AF(f)\subset E_{\mathcal O_{P^1}}\) des Punktes \([U,f,z_0]\in E_{\mathcal O_{P^1}}\) heißt analytische Fortsetzung von \(f\).

Aus der Analysis 1 ist bekannt, dass eine Potenzreihe \(f_0(z)=\sum_na_n(z-z_0)^n\) im Inneren des Konvergenzkreises \(U_{R_0}(z_0):=\{z\in \mathbb C\mid |z-z_0|\lt R_0\}\) mit Konvergenzradius \(R_0\) konvergiert und außerhalb des Konvergenzkreises divergiert. Die Taylorreihe \(\sum_n b_n(z-z_1)^n\) der Funktion \(f_0\) an einer Stelle \(z_1\in U_{R_0}(z_0)\) konvergiert im Inneren des Konvergenzkreises \(U_{R_1}(z_1)\) gegen eine Funktion \(f_1\). Auf dem Durchschnitt \(U_{R_0}(z_0)\cap U_{R_1}(z_1)\) der Konvergenzkreise stimmen die beiden Funktionen überein \[f_0|_{U_{R_0}(z_0)\cap U_{R_1}(z_1)}=f_1|_{U_{R_0}(z_0)\cap U_{R_1}(z_1)}.\] Insgesamt erhalten wir eine auf der Vereinigungsmenge \(U_{R_0}(z_0)\cup U_{R_1}(z_1)\) definierte analytische Funktion, welche beide Funktionen \(f_0\) und \(f_1\) auf einen im Allgemeinen größeren Definitionsbereich fortsetzt. Diese Prozedur lässt sich wiederholen. Wir erhalten sukzessive auf Konvergenzkreisen \(U_{R_k}(z_k)\) definierte Funktionen \(f_k\), so dass gilt \(U_{R_{k-1}}(z_{k-1})\cap U_{R_{k}}(z_{k})\not=\emptyset\) und \[f_{k-1}|_{U_{R_{k-1}}(z_{k-1})\cap U_{R_k}(z_k)}=f_k|_{U_{R_{k-1}}(z_{k-1})\cap U_{R_k}(z_k)}.\] Die Erwartung, dass man auf diese Weise eine auf der Vereinigungsmenge \[U_{R_0}(z_0)\cup U_{R_1}(z_1)\cup \ldots U_{R_k}(z_k)\] definierte Funktion \(\widetilde{f}\) definieren könnte, erfüllt sich allerdings nicht notwendig. Ist der Duchschnitt \(U_{R_k}(z_k)\cap U_{R_l}(z_l)\not=\emptyset\) für ein \(l\lt (k-1)\), so gilt nämlich im Allgemeinen \[f_l|_{U_{R_l}(z_l)\cap U_{R_k}(z_k)}\not=f_k|_{U_{R_l}(z_l)\cap U_{R_k}(z_k)}.\] Der bereits besprochene Logarithmus ist ein Beispiel für dies Phänomen. Trotzdem macht es Sinn, diese analytischen Fortsetzungen als ein globales Objekt zu betrachten. Der Begriff einer mehrwertigen Funktion hat sich nicht als für das Verständnis förderlich erwiesen. Hingegen hat sich das Bild eines eventuell in mehreren Schichten über der Riemannschen Zahlenkugel ausgebreiteten globalen Objektes als für das Verständnis der auftretenden Phänomene sehr hilfreich erwiesen.

Wann genau das Phänomen, dass man eine jottwede in der komplexen Zahlenebene konvergierende Potenzreihe eindeutig analytisch fortsetzen und somit zu einem globalen Objekt vervollständigen kann, von Mathematikern erkannt wurde, wird wohl nie dingfest gemacht werden können. Man sollte es sich als einen sich über mehrere Generationen hinziehenden Prozess der Bewusstwerdung vorstellen. Spätestens jedoch seit Gauß und Riemann, also seit etwa 200 Jahren, führte diese Erkenntnis zu manch wundersamer Entdeckung. Die berühmteste analytisch fortgesetzte Funktion ist sicherlich die Riemannsche Zetafunktion: Ist der Realteil von \(s\in \mathbb C\) größer als 1, so konvergiert die Reihe \[\zeta(s)=\sum_{n=0}^\infty\frac1{n^s}.\] Diese Funktion lässt sich analytisch zu einer Funktion auf \(\mathbb C\setminus \{1\}\) fortsetzen. Die Zetafunktion kodiert viele Informationen über die Verteilung der Primzahlen. Auf den Beweis der Riemannschen Vermutung, dass nämlich der Realteil der nichttrivialen Nullstellen dieser Zetafunktion immer gleich \(\frac12\) ist, ist ein Preis in Millionenhöhe ausgesetzt.

Das Zeta steht für Zählen. Tatsächlich gibt es viele nach ähnlichem Muster konstruierte Zetafunktionen. Eine kleine Google-Suche liefert Ihnen eine lange Liste von Namen, von Artin bis Weierstraß. Die prinzipielle Vorgehensweise ist wie folgt: Man nehme eine Zahlenfolge, die man gerne verstehen würde, kodiert diese in systematischer Weise in die Koeffizienten einer konvergenten Potenzreihe und untersucht, in welcher Weise Eigenschaften der analytischen Fortsetzungen mit den Eigenschaften der urprünglichen Zahlenfolgen korrelieren.

Ein berühmtes Beispiel solcher Zetafunktionen wurde von André Weil konstruiert: Der wesentliche Input in seine Zetafunktion ist die Anzahl \(N_k\) der Lösungen einer diophantischer Gleichung, wie zum Beispiel die Anzahl der \([x:y:z]\in P^2(\mathbb F_{q^k})\), welche die Gleichung \[x^{2021}+y^{2021}+z^{2021}=0\] über dem endlichen Körper mit \(q^k\) vielen Elementen[1] erfüllen. Die Weil-Vermutungen beschreiben, in welcher Weise die Null- und Polstellen dieser Zetafunktionen mit der Topologie der Lösungsmenge von komplexen Lösungen derselben Gleichung verbunden sind. Der Beweis der Weil-Vermutungen in den 1970er Jahren gehört zu den Sternstunden der Mathematik.

Die Eta-Invariante eines selbstadjungierten elliptischen Differentialoperators \(A\) ist der Wert \(\eta_A(0)\) der analytischen Fortsetzung der Funktion \[\eta_A(s)=\sum_{\lambda\not=0}\frac{\mathrm{sign}(\lambda)}{|\lambda|^s},\] in deren Beschreibung die Eigenwerte \(\lambda\) des Operators \(A\) eingehen. Diese Invariante ist in der Riemannschen Geometrie von Bedeutung.

In diesen Beispielen beschreibt die analytische Fortsetzung tatsächlich Funktionen auf offenen Teilen der komplexen Ebene. Dies ist allerdings die Ausnahme. Den Logarithmus haben wir ja schon besprochen, die Wurzelfunktionen oder allgemeiner Funktionen wie \(z\mapsto z^\alpha\) für \(\alpha\in\mathbb C\) oder \(z\mapsto z^z=e^{z\log(z)}\) beschreiben vielblättrige analytische Fortsetzungen über der Ebene.

Von besonderem Interesse sind die von Gauß eingehend studierten hypergeometrischen Funktionen. Diese sind Lösungen der hypergeometrischen Differentialgleichung \[z(1-z)\frac{d^2}{dz^2}+(c-(a+b+1)z)\frac{d}{dz}-ab=0.\] Man kann diese als Verallgemeinerung des Logarithmus betrachten, der selbst Lösung der Differentialgleichung \[z\frac{d^2}{dz^2}+\frac{d}{dz}=0\] ist. Die Differentialgleichung des Logarithmus hat zwei Pole auf der Riemannschen Zahlenkugel, nämlich im Nullpunkt, und im unendlich fernen Punkt. Die hypergeometrische Differentialgleichung hat eine zusätzlichen dritten Pol im Punkte \(z=1\). Wenn man sich den Logarithmus als unendliche Wendeltreppe um ein zentrale Achse in der Null vorstellt (mit einer dazu symmetrischen Achse in \(\infty\)), so beschreiben die Lösungen der hypergeometrischen Differentialgleichungen ein Hogwartsches Treppengewirr, das sich um zwei zentrale Achsen in der Null und in der Eins herumwindet (sowie einer dritten Achse in \(\infty\)).

Solche Treppengewirre zu verstehen wird unser nächstes Ziel sein. Man nennt dies Überlagerungstheorie. Aber zuvor noch einige abschließende Bemerkungen zu den analytischen Fortsetzungen.

5.4.6. Satz. Die analytische Fortsetzung \(AF(f)\) einer in einer Kreisscheibe \(D\) um den Punkt \(z_0\in \mathbb C\) konvergenten Potenzreihe \(f\) ist eine eindimensionale komplexe Mannigfaltigkeit.

Der Beweis benutzt eine sehr allgemeine Eigenschaft von separierten, étalen Abbildungen, die wir uns kurz klar machen müssen.

5.4.7. Definition. Es seien \(p\colon A\to B\) und \(f\colon C\to B\) stetige Abbildungen. Eine Abbildung \(g\colon C\to A\) nennt man Hochhebung von \(f\) entlang \(p\), falls gilt \(p\circ g=f\).

5.4.8. Eindeutigkeit von Hochhebungen. Es sei \(p\colon E\to X\) eine separierte étale Abbildung, \(Y\) ein zusammenhängender topologischer Raum, sowie \(f\colon Y\to X\) stetig. Sind \(g_0,g_1\colon Y\to E\) Hochhebungen von \(f\), und gilt \(g_0(y)=g_1(y)\) für ein \(y\in Y\), so gilt \(g_0=g_1\).

Beweis von 5.4.8. Die beiden Abbildungen \(g_0\) und \(g_1\) definieren zusammen eine stetige Abbildung \[
\begin{eqnarray}G\colon Y&\to& E\times_XE\\ y&\mapsto &\left(g_0(y),g_1(y)\right).\end{eqnarray}\] Da \(p\) étale und separiert ist, ist die Diagonale \(\Delta_E\subset E\times_XE\) offen und abgeschlossen. Das Urbild \(G^{-1}\left(\Delta_E\right)\) ist also offen und abgeschlossen in \(Y\), nach Voraussetzung nicht leer, und folglich gleich \(Y\).
qed

5.4.9. Lemma. Ist \(f\colon Y\to X\) eine separierte Abbildung und ist \(X\) Hausdorffsch, so ist auch \(Y\) Hausdorffsch.

Beweis von 5.4.9. Ist \(X\) Hausdorffsch, so ist nach 3.2.3. die Diagonale \(\Delta_X\subset X\times X\) abgeschlossen. Folglich ist das Urbild \(\left(f\times f\right)^{-1}(\Delta_X)=Y\times_XY\subset Y\times Y\) abgeschlossen in \(Y\times Y\). Die Separabilität von \(f\) liefert die Abgeschlossenheit von \(\Delta_Y\) in \(Y\times_XY\) und folglich in \(Y\times Y\). Wiederum mit 3.2.3. schließen wir, dass \(Y\) Hausdorffsch ist.
qed

Beweis von 5.4.6. Die Abbildung \(p\colon AF(f)\to P^1\) ist étale, das heißt \(AF(f)\) ist, wie auch \(P^1\), lokal homöomorph zu \(\mathbb R^2\). Die Untergarbe \(\mathcal O_{AF(f)}\subset \mathcal C_{AF(f)}(\;\_\;,\mathbb C)\) der holomorphen Funktionen erhalten wir über die Abbildung \(p\): Die Zuordnung \[U\mapsto \mathcal O_{AF(f)}(U):= p^*\mathcal O_{P^1}\left(p(U)\right)=
\{f\circ p\mid f\colon p(U)\to \mathbb C \text{ ist holomorph}\}\] beschreibt eine Prägarbe auf der aus denjenigen offenen Teilmengen \(U\) bestehenden Basis der Topologie von \(AF(f)\), welche durch \(p\) homöomorph auf \(p(U)\subset P^1\) abgebildet werden. Die Garbifizierung dieser Prägarbe ist die gesuchte Garbe holomorpher Funktionen.
Es bleibt zu zeigen, dass \(AF(f)\) eine abzählbare Basis der Topologie besitzt. Zuerst einmal besitzt \(P^1=\mathbb C\cup \{\infty\}\) eine abzählbare Basis \(\mathcal V\) der Topologie, bestehend aus offenen Kreisscheiben mit rationalem Durchmesser und Zentren in \(\mathbb Q\oplus i\mathbb Q\subset \mathbb C\), sowie den Umgebungen \[V_n(\infty):=\{z\in \mathbb C\mid |z|\gt n\}\cup\{\infty\}, \quad n\in \mathbb N\] des unendlich fernen Punktes. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass die offenen Mengen in \(\mathcal V\) allesamt nicht-leer und zusammenhängend sind, wie auch die Durchschnitte je zweier offener Mengen in \(\mathcal V\).
Es sei \(\mathcal U\) die Menge der offenen Teilmengen von \(AF(f)\), die durch \(p\) homöomorph auf Elemente von \(\mathcal V\) abgebildet werden. Offenbar ist \(\mathcal U\) eine Basis der Topologie von \(AF(f)\). Wir nennen eine endliche, geordnete Menge \((U_0,U_1,\ldots, U_k)\) von Elementen \(U_i\in\mathcal U\) ein Band, falls für alle \(0\lt i\le k\) gilt \(U_{i-1}\cap U_i\not=\emptyset\). Es bezeichne \(\mathcal B_\mathcal U\) die Menge aller Bänder in \(\mathcal U\) und \(\mathcal B_\mathcal V\) die Menge aller Bänder in \(\mathcal V\).
Elemente \([V_0,g_0,v_0], [V_1,g_1,v_1]\in AF(f)\) nennen wir äquivalent, wenn es ein Band \((U_0,U_1\ldots, U_k)\) in \( \mathcal B_\mathcal U\) gibt mit \([V_0,g_0,v_0]\in U_0\) und \([V_1,g_1,v_1]\in U_k\). Dies ist klar eine Äquivalenzrelation: Reflexivität wird durch ein Band mit nur einem Element beschrieben, Symmetrie durch das Band mit umgekehrter Reihenfolge, Transitivität durch das Verknüpfen von Bändern. Jede Äquivalenzklasse von Elementen ist offen in \(AF(f)\) und folglich auch abgeschlossen. Da \(AF(f)\) zusammenhängend ist, gibt es nur eine Äquivalenzklasse.
Es bezeichne nun \(\mathcal B_\mathcal U(f) \subset \mathcal B_\mathcal U\) die Menge aller Bänder mit \([D,f,z_0]\in U_0\). Da alle Elemente in \(AF(f)\) zu diesem Element äquivalent sind, ist die Abbildung \[\begin{eqnarray}\mathcal B_\mathcal U(f)&\to &\mathcal U\\
(U_0,U_1,\ldots,U_k)&\mapsto&U_k\end{eqnarray}\] surjektiv. Wegen der Eindeutigkeit von Hochhebungen für zusammenhängende Mengen (5.4.8.) ist die Abbildung \[\begin{eqnarray}\mathcal B_\mathcal U(f)&\to &\mathcal B_\mathcal V\\
(U_0,U_1,\ldots,U_k)&\mapsto&\left(p(U_0),p(U_1),\ldots,p(U_k)\right)\end{eqnarray}\] injektiv. Insgesamt folgen daraus die ersten beiden Abschätzungen für die Kardinalitäten in der folgenden Kette \[\mathrm{kard}(\mathcal U) \le \mathrm{kard}\left(\mathcal B_\mathcal U(f)\right) \le \mathrm{kard}\left(\mathcal B_\mathcal V\right) = \mathrm{kard}\left(\mathcal V\right).\] Die letzte Gleichung folgt aus der Tatsache dass endliche Produkte und abzählbare Vereinigungen von abzählbaren Mengen wieder abzählbar sind.
qed

--------
[1] Die Zahl \(q\) sollte besser nicht durch \(43\) oder \(47\), die Primfaktoren von \(2021\), teilbar sein.

Unterstützt von Drupal