Definition. Sei $M$ eine Teilmenge des topologischen Raumes $X$. Eine offene Überdeckung von $M$ ist eine Familie $\mathfrak{U}=\{U_i, i\in I\}$ offener Mengen $U_i$ in $X$ mit $M\subset \cup_{i\in I} U_i$.
Definition. Ein topologischer Raum heißt kompakt, wenn jede offene Überdeckung von $X$ eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Mit anderen Worten: Ist $\{U_i, i\in I\}$ eine Überdeckung, so existieren endlich viele $i_1,\ldots,i_n \in I$, so dass $U_{i_1},\ldots, U_{i_n}$ noch überdecken, also $X\subset \cup^n_{k=1} U_{i_k}$ gilt.
In der Namensgebung ist sich die Literatur nicht ganz einig. Manche Autoren nennen Räume nur dann kompakt, wenn sie zusätzlich die folgende Hausdorffsche Eigenschaft besitzen. Räume, die nur die obige Überdeckungseigenschaft erfüllen, nennen sie quasikompakt.
Definition. Ein topologischer Raum $X$ heißt hausdorffsch, falls je zwei unterschiedliche Punkte $x\not= x'$ in $X$ disjunkte Umgebungen $U_x$ und $U_{x'}$ besitzen, also $U_x\cap U_{x'}=\emptyset$.
Metrische Räume, für die wir uns hauptsächlich interessieren, sind hausdorffsch: Gilt $m\not= m'$ für Punkte in einem metrischen Raum $M$, und ist $\varepsilon\lt \frac{d(m,m')}2,$ so sind die Umgebungen $U_\varepsilon(m)$ und $U_\varepsilon(m')$ disjunkt.
5.6.1. Proposition. Ist $X$ kompakt und $f:X\to Y$ stetig, so ist $f(X)\subset Y$ kompakt.
Beweis. Sei $\mathfrak{U}$ eine offene Überdeckung von $f(X)$ in $Y$. Wegen der Stetigkeit von $f$ sind die Urbilder $f^{-1}(U)$ offen für alle $U\in\mathfrak{U}$. Da $X$ kompakt ist, besitzt die offene Überdeckung $$f^{-1}(\mathfrak{U})=\{f^{-1}(U)\;|\;U\in\mathfrak{U}\}$$ von $X$ eine endliche Teilüberdeckung $\{f^{-1}(U_1),\ldots,f^{-1}(U_n)\}$. Folglich ist $\{U_1,\ldots,U_n\}$ eine endliche Überdeckung von $f(X)$.
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5.6.2. Proposition. Abgeschlossene Teilmengen eines kompakten Raumes sind kompakt.
Beweis. Sei $X$ kompakt, $A\subset X$ abgeschlossen und $\mathfrak{U}$ Überdeckung von $A$. Dann ist $\mathfrak{U}'=\mathfrak{U}\cup\{X\setminus A\}$ offene Überdeckung von $X$. Eine endliche Teilüberdeckung aus $\mathfrak{U}'$ überdeckt auch $A$.
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Definition. Sind $X$ und $Y$ topologische Räume, so ist die Produkttopologie auf $X\times Y$ durch folgende Vorschrift beschrieben: Eine Menge $W\subset X\times Y$ heißt offen, wenn für jedes $(x,y)\in W$ Umgebungen $U\subset X$ und $V\subset Y$ existieren mit $U\times V\subset W$.
Mit dieser Definition erhalten wir:
5.6.3. Proposition. Sind $X$ und $Y$ kompakt, so auch das Produkt $X\times Y$.
Beweis. Sei $\mathfrak{U}=\{U_j\;|\;j\in J\}$ eine Überdeckung von $X\times Y$. Zu jedem $(x,y)\in X\times Y$ existiert ein Index $j(x,y)$, so dass $U_{j(x,y)}$ offene Umgebung von $(x,y)$ ist. Insbesondere existieren Umgebungen $V_{x,y}$ von $x$ in $X$ und $W_{x,y}$ von $y$ in $Y$ mit $V_{x,y}\times W_{x,y} \subset U_{j(x,y)}$. Für jedes $y\in Y$ existieren endlich viele $V_{{x_1},y},\ldots, V_{{x_n},y},$ die $X\times \{y\}$ überdecken. Der Wert $n\in\mathbb N$ hängt dabei von $y$ ab. Die offenen Mengen $W_y=\cap^n_{i=1} W_{x_i,y}$ überdecken $Y$. Nach Voraussetzung reichen endlich viele $ W_{y_1},\ldots, W_{y_m}$ aus, um $Y$ zu überdecken. Insgesamt überdecken die endlich vielen Mengen $V_{{x_i},{y_k}}\times W_{y_k}$ und damit die endlich vielen offenen Mengen $U_{j({x_i},{y_k})}$ (mit $1\le k\le m$ und $1\le i\le n(k)$) den Raum $X\times Y$.
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5.6.4. Satz von Heine-Borel. Eine Teilmenge $M\subset \mathbb R^n$ ist genau dann kompakt, wenn $M$ abgeschlossen und beschränkt ist.
Beschränkt soll natürlich heißen: Ist $\|\,.\,\|=\mathbb R^n\to \mathbb R$ eine Norm, so gibt es eine Schranke $S\in\mathbb R$ derart, dass für alle $m\in M$ gilt: $\|m\|\le S$. Wie wir gesehen haben, ist es gleichgültig, welche Norm wir uns dazu aussuchen.
Beweis von 5.6.4. Wir setzen zuerst voraus, $M\subset \mathbb R^n$ sei kompakt. Die Familie $$\mathfrak{U}=\{U_r(0)\mid r \gt 0\}$$ ist eine Überdeckung von $\mathbb R^n$. Da $M$ kompakt ist, gibt es endlich viele $r_1\lt \ldots \lt r_n$ mit $$
M\subset \cup^n_{i=1} U_{r_i}(0)=U_{r_n}(0).
$$ Also ist $M$ durch $r_n$ beschränkt. Es sei $x\in\partial M$ Randpunkt. Wir nehmen an, $x$ sei nicht in $M$ enthalten. Die Familie $\{V_r\;|\; r\gt 0\}$ mit $$V_r := \{v\in\mathbb R^n\;|\;\|v-x\| \gt r\}$$ überdeckt $R^n\setminus \{x\}$, also auch $M$. Wegen der Kompaktheit von $M$ gibt es endlich viele $r_1\lt \ldots \lt r_n,$ so dass $M$ durch $\cup^n_{i=1} V_{r_i}=V_{r_1}$ überdeckt wird. Das heißt aber, die $r_1$-Umgebung $U_{r_1}(x)$ von $x$ trifft nicht $M$ im Widerspruch zur Annahme $x\in\partial M$.
Sei nun $M$ als beschränkt und abgeschlossen angenommen. Wir wollen daraus schließen, dass $M$ kompakt ist. Es reicht zu zeigen, dass der $n$-dimensionale Würfel $[-R,R]^n$ mit Kantenlänge $2 R$ kompakt ist. Ist dies nämlich gezeigt, ist auch jede abgeschlossene Teilmenge, und insbesondere $M$, kompakt. Da Produkte kompakter Räume kompakt sind, reicht es zu zeigen, dass das Intervall $[-R,R]$, oder äquivalent das Intervall $[0,1]$, kompakt ist.
Sei also $\{U_j \;|\; j\in J\}$ eine offene Überdeckung des Intervalls $[0,1]$. Es sei $A \subset [0,1]$ die Menge aller $t$, für die das Intervall $[0, t]$ durch endlich viele der offenen Mengen $U_j$ überdeckt wird. Da $0\in U_{j_0}$ für ein $j_0\in J$ gilt, ist $A$ nicht leer. Es bezeichne $a=\sup A$. Mit der Null ist auch eine Umgebung in $U_{j_0}$ enthalten. Folglich gilt $a\gt 0$. Zu $a\in [0,1]$ gibt es ein $j_1\in J$ mit $a\in U_{j_1}$. Wir können ein $\varepsilon \gt 0$ derart wählen, dass gilt $0\lt a-\varepsilon$ und $a-\varepsilon \in A$ sowie $[a-\varepsilon, a]\subset U_{j_1}$. Noch Konstruktion wird das Intervall $[0,a-\varepsilon]$ von endlich vielen der $U_j$ überdeckt. Nach Hinzunahme von $U_{j_1}$ wird auch das Intervall $[0,a]$ von endlich vielen der $U_j$ überdeckt. Gilt $a\lt 1$, so überdecken dieselben offenen Mengen sogar noch ein etwas größeres Intervall $[0,a+\eta]$ fürr ein $\eta \gt 0$, im Widerspruch zur Definition von $a$. Also ist $a=1$ und $a\in A$.
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5.6.5. Korollar. Ist $X$ ein kompakter topologischer Raum und $f:X\to\mathbb R$ stetig, so nimmt $f$ sein Maximum und Minimum auf $X$ an, d.h. es existieren $\max\limits_{x\in X}(f(x))$ und $\min\limits_{x\in X}(f(x))$.
Beweis. Das Bild $f(X)\subset \mathbb R$ ist kompakt, also beschränkt und abgeschlossen. Die Beschränktheit liefert, dass $\sup(f(X))$ und $\inf(f(X))$ existieren. Diese sind Randpunkte und liegen im Abschluss $\overline{f(X)}$ des Bildes. Da das Bild abgeschlossen ist, gilt also $$\sup(f(X)),\inf(f(X))\in \overline{f(X)}=f(X).$$qed
5.6.6. Korollar. Ist $X$ ein kompakter topologischer Raum und $E$ ein Banachraum, so ist der Vektorraum $\mathcal C(X,E)$, versehen mit der Maximumsnorm $\|\,.\,\|_\infty\colon f\mapsto \max_{x\in X}\|f(x)\|_E$ ein Banachraum.
Beweis. Ist $f\colon X\to E$ stetig, so ist die Komposition $\|\,.\,\|\circ f:X\to \mathbb R$ ebenfalls stetig. Wegen der Kompaktheit von $X$ nimmt $f$ das Maximum an. Folglich ist die Maximumsnorm wohldefiniert. Ab diesem Punkt ist die Argumentation völlig analog zum Beweis von Korollar 5.5.6, nämlich des Spezialfalls $X=[a,b]$. In aller Kürze: Eine Cauchy-Folge in $\mathcal C(X,E)$ konvergiert im Banachraum $E$ punktweise gegen eine Grenzfunktion. Die Konvergenz der Folge gegen die Grenzfunktion ist gleichmäßig. Folglich ist nach Satz 5.5.5. die Grenzfunktion stetig.
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Zuletzt wollen wir noch die Konvergenz von Folgen in topologischen Räumen betrachten.
Definition. Eine Folge $(x_n)_{\mathbb N}$ in einem topologischen Raum $X$ konvergiert gegen einen Punkt $x\in X$, wenn jede Umgebung von $x$ alle bis auf endlich viele Folgenglieder enthält. Analog nennt man $y\in X$ einen Häufungspunkt der Folge, falls jede Umgebung von $y$ unendlich viele Folgenglieder enthält.
In einem allgemeinen topologischen Raum kann es vorkommen, dass eine Folge gegen zwei verschiedene Punkte $x_1$ und $x_2$ konvergiert. Dann sind in jeder Umgebung $U$ von $x_1$ und in jeder Umgebung $V$ von $x_2$ jeweils alle bis auf endlich viele Folgenglieder enthalten. Insbesondere ist der Durchschnitt $U\cap V$ je zweier Umgebungen von $x$ und $y$ nicht leer. Die Hausdorff-Eigenschaft garantiert die Eindeutigkeit von Grenzwerten: Sind $U$ und $V$ disjunkte Umgebungen der Punkte $x_1$ und $x_2$ in einem hausdorffschen Raum, so kann höchstens eine der beiden Mengen alle bis auf endlich viele Folgenglieder enthalten. Somit kann höchstens einer der Punkte Grenzwert der Folge sein.
5.6.7. Proposition. Jede Folge $(x_n)_{n\in \mathbb N}$ in einem kompakten topologischen Raum $X$ besitzt einen Häufungspunkt in $X$.
Beweis. Angenommen, es gäbe keinen Häufungspunkt in $X$. Dann gibt es zu jedem $x\in X$ eine offene Umgebung $U_x$, in der höchstens endlich viele Folgenglieder liegen. Die Familie $\mathfrak{U}=\{U_x,\; x\in X\}$ ist eine offene Überdeckung von $X$. Wegen der Kompaktheit von $X$ gibt es eine endliche Teilüberdeckung $U_1,\ldots, U_n$. Die unendlich vielen Folgenglieder verteilen sich also auf endlich viele Mengen $U_1,\ldots,U_n$, so dass jedes $U_i$ nur endlich oft getroffen wird. Das ist natürlich Unsinn.
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