Die Konstruktion des Integrals geht von einer geometrischen Aufgabenstellung aus: Man will die Größe der Fläche bestimmen, die vom Graphen einer Funktion $f:[a,b]\to\mathbb R$ über dem Intervall $[a,b]$ berandet wird. Wollte man experimentell eine solche Fläche bestimmen, so zeichnete man sich den Graphen der Funktion auf Papier, schnitte die Fläche aus und wöge sie. Das Gewicht ist proportional zur Fläche. Man bräuchte das Gewicht also nur mit dem Gewicht einer Einheitsfläche zu vergleichen.
Alternativ zeichnet man den Graphen der Funktion auf kariertes Papier und zählt sowohl die Karos, die ganz in der Fläche enthalten sind, als auch die Karos, die von der Fläche getroffen werden. Diese Anzahlen geben dann Abschätzungen der Größe der Fläche nach oben und nach unten. Wählt man immer feineres Karopapier, so sollten die erreichten Abschätzungen immer besser werden und so eine näherungsweise Bestimung der Fläche ermöglichen.
Bei der Konstruktion des Integrals orientieren sich die Mathematiker an solchen experimentellen Vorgehensweisen. Tatsächlich gibt es mehrere Konstruktionen eines Integrals mit jeweils Vor- und Nachteilen: Die Klassen von Funktionen, die integrierbar sind, unterscheiden sich bei den verschiedenen Konstruktionen. Beruhigend ist, dass zumindest die stetigen Funktionen immer integrierbar sind und das Integral unabhängig von der gewählten Integrationsweise ist. In dieser Vorlesung will ich Ihnen eine Konstruktion des Integrals vorstellen, die sich an der Kästchenzählmethode orientiert. Dieses Integral geht auf den Mathematiker Bernhard Riemann zurück.