Objekte der Kategorie $TOP$ sind topologische Räume, stetige Abbildungen bilden die Morphismen. Wir bezeichnen mit $TOP(2)$ die Kategorie der topologischen Raumpaare, also der Paare $(X,A)$, wo $A$ ein Unterraum des topologischen Raumes $X$ ist. Morphismen $f\colon (X,A)\to (Y,B)$ sind stetige Abbildungen $f\colon X\to Y$ mit $f(A)\subset B$. Der Funktor $$\kappa\colon TOP(2)\to TOP(2)$$ schickt das Paar $(X,A)$ auf $(A,\emptyset)$, sowie eine Abbildung $f\colon (X,A)\to (Y,B)$ auf ihre Einschränkung $f\colon (A,\emptyset)\to (B,\emptyset)$.
Es sei $R$ ein kommutativer Ring mit Eins und $R$-$MOD$ die Kategorie von $R$-Moduln.
1.0.1. Homologie-Axiome von Eilenberg-Steenrod. Eine Homologietheorie für Raumpaare besteht aus einer Familie $(h_n\mid n\in\mathbb Z)$ von Funktoren $h_n\colon TOP(2)\to R$-$MOD$, sowie einer Familie $(\partial_n\mid n\in\mathbb Z)$ natürlicher Transformationen $\partial_n\colon h_n\to h_{n-1}\circ \kappa$, welche folgende Eigenschaften erfüllen:
\ldots \to h_{n+1}(X,A) \xrightarrow{\partial_{n+1}} h_n(A,\emptyset)\to h_n(X,\emptyset)\to h_n(X,A)\xrightarrow{\partial_n}\ldots
$$ exakt. Die nicht gekennzeichneten Abbildungen sind jeweils durch die Inklusionen induziert.
Zur Erinnerung: Eine Sequenz $ \ldots \to M_{k+1}\xrightarrow{\phi_{k+1}} M_k \xrightarrow{\phi_k} M_{k-1} \to \ldots$ von $R$-Modul-Homomorphismen heißt exakt an der $k$-ten Stelle, falls gilt $$\ker\,\left(\phi_k\right) =\mathrm{im}\left(\phi_{k+1}\right).$$ Die Sequenz $(M_k, \phi_k\mid k\in \mathbb Z)$ heißt exakt, wenn sie an jeder Stelle exakt ist.
Den $R$-Modul $h_n(X,A)$ nennt man die $n$-te Homologie des Paares $(X,A)$, manchmal auch die Homologie vom Grade $n$ oder in Dimension $n$. Man schreibt kurz $h_n(X)=h_n(X,\emptyset)$ und bezeichnet $h_n(X)$ und $h_n(A)$ als absolute Homologie, $h_n(X,A)$ als relative Homologie. Die Homomorphismen $\partial=\partial_n$ heißen Rand-Operatoren. Für die durch Abbildungen $f$ induzierten Morphismen $h_n(f)$ hat sich die Abkürzung $f_*$ eingebürgert. Bezeichnet $P$ einen einpunktigen Raum, so nennt man die $R$-Moduln $h_n(P)$ die Koeffizienten der Homologietheorie.
1.0.2. Definition. Die Homologie-Theorie $(h_n,\partial_n\mid n\in \mathbb Z)$ heißt gewöhnlich oder klassisch, wenn sie das Dimensionsaxiom erfüllt: Für die Koeffizienten der Homologietheorie gilt $h_n(P)=0$ für $n\not=0$.
1.0.3. Definition. Die Homologie-Theorie $(h_n,\partial_n\mid n\in \mathbb Z)$ heißt additiv, wenn gilt: Ist $(X_j,A_j), j\in J$ eine Familie von Raumpaaren und bezeichnet $$i_j\colon (X_j,A_j)\to \left(\sqcup_jX_j,\sqcup_j A_j\right)$$ die kanonische Inklusion in die topologische Summe, so sind die Abbildungen $$\oplus_{j\in J} h_n\left(X_j,A_j\right)\to h_n\left(\sqcup_j X_j,\sqcup_jA_j\right),\quad (m_j)\mapsto \sum_{j\in J}h_n\left(i_j\right)(m_j)$$ jeweils Isomorphismen.
Im Falle endlicher Familien $J$ sind die obige Abbildungen, so wird sich zeigen, für jede Homologietheorie jeweils Isomorphismen. Das obige Additivitätsaxiom ist also nur bei unendlichen topologischen Summen relevant.
1.0.4. Definition. Eine natürliche Transformation $\phi_*\colon h_*\to h_*'$ zwischen Homologietheorien $h_*=(h_n,\partial_n)$ und $h_*'=(h_n',\partial_n')$ besteht aus einer Familie $\phi_n\colon h_n\to h_n'$ natürlicher Transformationen, welche mit den Randoperatoren vertauschen $\partial_n'\circ \phi_n=\phi_{n-1}\circ\partial_n$.
Bevor wir uns an die Konstruktion einer solchen Homologietheorie machen, wollen wir erst von ihrer Nützlichkeit überzeugen.