Nach dem lokalen Studium von Tangential- und Kotangentialvektorräumen geht es nun ans Studium der globalen Objekte. Es bezeichne \[\Delta
\colon M\to M\times M,\quad \Delta(m)=(m,m)\] die diagonale Einbettung und \(\mathcal I_\Delta\subset \mathcal A^{M\times M}\) die Idealgarbe der entlang der Diagonale verschwindenden glatten Funktionen. Sind \(U,V\subset M\) offene Mengen, so ordnet diese Garbe der offenen Menge \(U\times V\) in \(M\times M\) das Ideal \[\mathcal I_\Delta(U\times V)=\left\{ f\mid f\circ\Delta|_{U\cap V}=0 \right\}\subset \mathcal A^{M\times M}(U\times V)\] zu. Das Quadrat der Idealgarbe \(\left(\mathcal I_\Delta\right)^2\subset \mathcal I_\Delta\) ist die von den Idealen \[ \left(\mathcal I_\Delta\right)^2 (U\times V)=\left\{\textstyle{\sum}_{j\in J}f_j\cdot g_j\mid f_j,g_j\in \mathcal I_\Delta(U\times V), J \text{ endlich}\right\}\] in \(\mathcal A^{M\times M}(U\times V)\) erzeugte Untergarbe.
Die beiden Projektionen \(\pi_0,\pi_1\colon M\times M\to M\) sind beschrieben durch \(\pi_0(m,m')=m\) und \(\pi_1(m,m')=m'\). Ist \(f\in \mathcal A^M(U)\) eine auf \(U\subset M\) definierte glatte Funktion, so sind die Funktionen \[\pi^{-1}_0f \in \mathcal A^{M\times M}(U\times M)\quad \text{ und }\quad \pi^{-1}_1f \in \mathcal A^{M\times M}(M\times U)\] definiert durch \[\pi^{-1}_0f(u,m)=f(u)\quad \text{ und }\quad \pi^{-1}_1f(m,u)=f(u).\]
3.2.1. Definition. Die Kotangentialgarbe auf einer Mannigfaltigkeit \(M\) ist die Garbe \[\mathcal T^\vee_M:=
\Delta^{-1}\left(\mathcal I_\Delta\big/\left(\mathcal I_\Delta\right)^2\right)\] auf \(M\). Das äußere Differential \[d\colon \mathcal A^M\to \mathcal T^\vee_M\] bildet die Funktion \(f\in \mathcal A^M(U)\) ab auf die Restklasse des Schnittes \[df=\pi^{-1}_0f-\pi^{-1}_1f\in \mathcal I_\Delta(U\times U)\big/\left(\mathcal I_\Delta\right)^2(U\times U).\]
Diese Definition mag auf den ersten Blick etwas abschreckend wirken, da die Ingredienzien etwas ungewohnt sind. Wir werden sie im Folgenden etwas auseinander klabüstern. Ich möchte Sie überzeugen, dass dies eigentlich eine relativ einfache Konstruktion ist.
3.2.2. Bemerkungen.
- Zuerst betrachten wir die Quotientengarbe \(\mathcal A^{M\times M}/\mathcal I_\Delta\). Für \(m\not= m'\in M\) gibt es trennende offene Umgebungen \(U\) und \(U'\) und es gilt \(\mathcal I_\Delta(U\times U')=\mathcal A^{M\times M}(U\times U')\). Folglich verschwindet der Halm \(\left(\mathcal A^{M\times M}\big/\mathcal I_\Delta\right)_{(m,m')}=0\) für \(m\not= m'\), die Garbe \(\mathcal A^{M\times M}/\mathcal I_\Delta\) hat Träger in \(\Delta(M)\subset M\times M\).
- Für jede offene Menge \(U\subset M\) ist die Restriktionsabbildung \[\Delta^{-1}\colon \mathcal A^{M\times M}(U\times U)\to \mathcal A^{M}(U),\quad f\mapsto f\circ\Delta\] surjektiv, da gilt \(\Delta^{-1}\left(\pi^{-1}_0g\right)=g\circ \pi_0\circ\Delta=g\circ\mathrm{id}_M=g\). Der Kern von \(\Delta^{-1}\) ist das Ideal \(\mathcal I_\Delta(U\times U)\). Damit ist \(\Delta^{-1}\colon \mathcal A^{M\times M}/\mathcal I_\Delta\to \mathcal A^M\) ein Garbenisomorphismus. Mehr noch identifiziert der Isomorphismus \(\Delta^{-1}\) alle Modulgarben über den beiden Garben von Ringen. Insbesondere identifiziert \(\Delta^{-1}\) die Garbe \(\left(\mathcal I_\Delta\big/\left(\mathcal I_\Delta\right)^2\right)\) mit einer \(\mathcal A^M\)-Modulgarbe.
- Für eine Funktion \(f\in \mathcal A^{M}\) ist \(\Delta^{-1}\left(\pi^{-1}_0f-\pi^{-1}_1f\right)=0\) und folglich \[df=\pi^{-1}_0f-\pi^{-1}_1f\in \mathcal I_\Delta(U\times U).\] Ist der Kartenkeim \( \bar{x} \colon M_{(m)} \to \mathbb R^n_{(0)}\) repräsentiert durch eine Karte \(x\colon U\to \mathbb R^n\), so erhalten wir auf diese Weise Funktionen \(dx^i\in \mathcal I_\Delta(U\times U)\). Dann bilden die Funktionen \(dx^1,\ldots,dx^n,{\tilde x}^1,\ldots,\tilde{x}^n\) mit \(\tilde{x}^j:=\pi^{-1}_1x^j\) eine Karte \((dx,\tilde{x}) \colon U\times U\to\mathbb R^{2n}\). Bezeichnet \(V
= (dx,\tilde{x})\left(U\times U\right) \subset \mathbb R^{2n}\) das offene Bild dieser Karte, so ist \(V\cap \{0\}\times \mathbb R^n\) das Bild der Diagonale \(\Delta(U)\). Eine auf \(V\) definierte glatte Funktion lässt sich zu fixiertem \(\tilde{x}\) im Punkt \((0,\tilde{x})\in V\) in seine Taylorreihe entwickeln \[ f(dx,\tilde{x})= f(0,\tilde{x}) + \textstyle{\sum}_{i=1}^n\partial_i f(0,\tilde{x})\,dx^i +
\frac12\textstyle{\sum}_{j,k=1}^n\partial_j\partial_kf(0,\tilde{x})\,dx^jdx^k + O\left(\|dx\|^3, \tilde{x}\right),\] wobei \(\partial_i\) die partielle Ableitung nach der \(i\)-ten Koordinate bezeichnet und die Funktionen \(\partial_i f(0,\tilde{x})\) glatt in den Variablen \(\tilde{x}^1,\ldots,\tilde{x}^n\) ist. Eine solche Funktion liefert eine Element in \(\mathcal I_\Delta(U\times U)\), falls der erste Summand \(f(0,\tilde{x})\) verschwindet. Herausdividieren des Quadrates \(\left(\mathcal I_\Delta\right)^2 \) resultiert im Vergessen der Summanden \(\frac12\textstyle{\sum}_{j,k=1}^n\partial_j\partial_kf(0,\tilde{x})\,dx^jdx^k + O\left(\|dx\|^3, \tilde{x}\right)\).
Stichpunkte:
- Tangentialgarbe definiert als Garbe von Derivationen. Schnitte sind Vektorfelder.
- lokale Darstellung von Vektorfeldern und 1-Formen im Ricci-Kalkül.
- Dualitätspaarung von Tangentialgarbe und Kotangentialgarbe.
- Adjunktion Vektorfelder -- Flüsse -- Lie-Algebra der Diffeomorphismengruppe.