Analog den Drehungen werden Translationen durch die Angabe zweier Strahlen in der Ebene eindeutig festgelegt.
Definition. Gegeben seien zwei verschiedene Punkte $P$ und $Q$ der Ebene. Der von $P$ ausgehende Strahl $s$ in Richtung $Q$ enthält eindeutig einen Strahl $t$, der von $Q$ ausgeht. Die Bewegung, die $s$ nach $t$ abbildet, also $T(s)=t$, nennen wir die Translation, Verschiebung oder den Vektor von $P$ nach $Q$ und schreiben \[
T = \overset{\rightarrow}{PQ}.\] Im Falle $P = Q$ setzen wir $T$ als die identische Abbildung $\mathrm{id}$.
Proposition 2.7. Ist $P \neq Q$, so hat die Translation $T =\overset{\rightarrow}{PQ}$ keinen Fixpunkt. Insbesondere ist $T$ keine Drehung.
Beweis. Wir betrachten die 3 Punkte $P , Q=T(P)$ und $T(Q)=T^{2}(P)$. Wegen $Q\in s$ folgt $T(Q)\in t$. Da $T$ eine Isometrie ist, kann $Q$ kein Fixpunkt von $T$ sein. Sonst hätte $Q$ nämlich zwei Urbilder $P$ und $Q$ unter der Abbildung $T$. Also sind $P , T(P) , T^{2}(P)$ paarweise verschieden und liegen auf einer Geraden. Hätte $T$ einen Fixpunkt, müssten diese Punkte auf einem Kreis um diesen Fixpunkt liegen. Das wäre ein Widerspruch.
qed.
Die identische Abbildung $\mathrm{id}$ der Ebene ist sowohl Drehung, als auch Verschiebung. Wir nennen im folgenden eine Bewegung echt, wenn sie nicht die identische Abbildung ist.
Theorem 2.8. Eine echte Bewegung der Ebene ist entweder eine Drehung oder eine Translation. Insbesondere ist eine Bewegung ohne Fixpunkt eine Translation.
Beweis. Sei $\phi$ eine Bewegung ohne Fixpunkt. Wir müssen zeigen, dass dann $\phi$ eine Verschiebung ist.
Dazu wählen wir einen Punkt $X\in\mathbb{E}$ der Ebene. Dann liegen die Punkte $X,\phi(X),\phi^{2}(X)$ auf einer Geraden. Lägen sie auf einem Kreis, so charakterisierte das $\phi$ als eine Drehung. Damit hätte $\phi$ einen Fixpunkt.
Die drei Punkte sind aber auch paarweise verschieden: Nach Voraussetzung gilt $X\neq\phi(X)\neq\phi^{2}(X)$. Wäre $\phi^{2}(X)=X$, so wäre $\phi$ Punktspiegelung und hätte einen Fixpunkt.
Bezeichnet nun $T$ die Translation $\overset{\longrightarrow}{X\phi(X)}$, so bildet $T$ die Strecke $\overline{X\phi(X)}$ auf die Strecke $\overline{\phi(X)\phi^{2}(X)}$ ab. Nach dem zugrunde liegenden Prinzip der Bewegungen stimmen $\phi$ und $T$ überein.
qed.
Korollar 2.9. Eine Bewegung, welche eine Gerade invariant lässt, ist entweder eine Translation oder eine Punktspiegelung.
Beweis. Gibt es einen Fixpunkt auf der Geraden, so ist es eine Punktspiegelung. Ansonsten gibt es keinen Fixpunkt. Es handelt sich nach dem obigen Theorem folglich um eine Translation.
qed.
Satz 2.10 (Eigenschaften von Translationen). Für eine Verschiebung $\phi:\mathbb{E}\rightarrow\mathbb{E}$ gilt:
Beweis. Wir nehmen an, $\phi\not=\mathrm{id}$.
- Schnitten sich $\phi\left(h\right)$ und $h$, so wäre $\phi$ eine Drehung nach Korollar (2.6).
- Die Aussage $\phi=\overset{\rightarrow}{P\phi\left(P\right)}$ folgt aus Beweis des Theorems (2.8).
- Die Verschiebung $\phi$ bildet den von $P$ in Richtung $\phi(P)$ ausgehenden Strahl in sich ab. Insbesondere ist die Gerade $P\phi\left(P\right)$ invariant unter $\phi$. Gäbe es eine weitere $\phi$-invariante Gerade durch $P$, so wäre $P$ als der Durchschnitt zweier invarianter Geraden ebenfalls invariant, also ein Fixpunkt. Eine echte Translation hat aber keinen Fixpunkt.
qed.