2.1 Folgen

Definition. Eine Folge von Zahlen in \(\mathbb K\) ist eine Abbildung \(f:\mathbb N\to \mathbb K\). Ist \(a_n:=f(n)\), so schreibt man statt \(f\) auch \((a_n)\). Häufig betrachtet man Folgen, deren Index von einem anderen Wert als \(1\) an läuft. So bedeutet \((a_n)_{n\ge n_0}\) formal eine Abbildung \(f\colon \{n\in \mathbb Z\mid n\ge n_0\}\to \mathbb K\).

Definition. Es sei \(a\in\mathbb K\) und \(\varepsilon \gt 0\) eine positive reelle Zahl. Die Menge \[U_{\varepsilon}(a):=\{k\in \mathbb K\mid |k-a|\lt \varepsilon\}\]heißt \(\varepsilon\)-Umgebung von \(a\). Eine Teilmenge \(U\subset \mathbb K\) nennt man Umgebung von \(a\), falls es ein \(\varepsilon \gt 0\) gibt, so dass die \(\varepsilon\)-Umgebung \(U_{\varepsilon}(a)\) in \(U\) enthalten ist \(U_{\varepsilon}(a)\subset U\).

Beispiele.

  • Eine $\varepsilon$-Umgebung einer reellen Zahl $r\in \mathbb R$ ist ein offenes Intervall \[U_\varepsilon(r)=]r-\varepsilon,r+\varepsilon[:=\{x\in \mathbb R\mid r-\varepsilon\lt x\lt r+\varepsilon\}.\]
  • Eine $\varepsilon$-Umgebung einer komplexen Zahl $c\in \mathbb C$ ist eine offene Kreisscheibe \[U_\varepsilon(c)=\{z\in \mathbb C\mid |z-c|\lt\varepsilon\}\] in der Gaußschen Zahlenebene mit Mittelpunkt $c$ und Radius $\varepsilon$.
  • Repräsentiert eine generische Intervallschachtelung $\mathcal S$ eine reelle Zahl $r$, so ist jedes Intervall $I\in\mathcal S$ eine Umgebung von $r$ in den reellen Zahlen. Ist nämlich $I=[a,b]$, so gilt $a\lt r\lt b$ und für $0\lt \varepsilon \le \min\{|r-a|,|b-r|\}$ gilt $U_\varepsilon(r)\subset I$.

Definition. Eine Folge von Zahlen in \(\mathbb K\) heißt konvergent mit Grenzwert \(a\in\mathbb K\), wenn es zu jedem \(\varepsilon \gt 0\) ein \(n_0\in \mathbb N\) mit der Eigenschaft gibt, dass \(a_n\in U_{\varepsilon}(a)\) für alle \(n\ge n_0\). In diesem Falle schreibt man \[a=\lim_{n\to \infty}(a_n)\]oder \(a_n\to a\) für \(n\to \infty\). Eine Folge, die gegen \(0\) konvergiert, heißt Nullfolge. Eine nicht konvergente Folge heißt divergent.

Hier eine etwas andere Formulierung: Eine Folge konvergiert gegen einen Grenzwert, falls es zu jeder Toleranzgrenze $\varepsilon\gt 0$ einen Schwellenwert $n_0\in \mathbb N$ gibt, ab dem die Folge den Grenzwert mit der vorgegebene Genauigkeit der approximiert.

Beispiele.

  • Die konstante Folge \((a_n)=(a)\) konvergiert gegen \(a\).
  • Die harmonische Folge \((\frac1n)\) ist eine Nullfolge. Ist nämlich $\varepsilon\gt 0$ vorgegeben, so gibt es eine rationale Zahl \(\frac{n_0}{m_0}\gt \frac1\varepsilon\), zum Beispiel die obere Grenze eines Intervalls in einer die Zahl \(\frac1\varepsilon\) repräsentierenden Intervallschachtelung. Insbesondere gilt dann \(\frac1{n_0}\le\frac{m_0}{n_0}\lt \varepsilon\). Für alle \(n\ge n_0\) folgt \(\frac1n\le\frac1{n_0}\lt\varepsilon\), und das heißt \(\frac1n\in U_{\varepsilon}(0)\).

Satz 2.1.1. Eine Folge \((z_n)\) komplexer Zahlen konvergiert genau dann, wenn die Folgen der Real- und Imaginärteile konvergieren. In diesem Falle gilt: \[\Re\left(\lim_{n\to \infty} z_n\right) =\lim_{n\to \infty}\left(\Re( z_n)\right), \Im\left(\lim_{n\to \infty} z_n\right) =\lim_{n\to \infty}\left(\Im( z_n)\right).\]

Beweis. Für jedes \(w=a+ib\in \mathbb C\) gilt: \[
\max\{|\Re(w)|,|\Im(w)|\}=\max\{|a|,|b|\}\le \sqrt{a^2+b^2}=|w|\le |a|+|b|=|\Re(w)|+|\Im(w)|.
\]Ist insbesondere $w=z-z_n$ für ein $z\in \mathbb C$, so erhalten wir die Ungleichungen
\[
\max\{|\Re(z-z_n)|,|\Im(z-z_n)|\}\le |z-z_n|\le |\Re(z-z_n)|+|\Im(z-z_n)|.
\]Falls nun $(z_n)$ gegen $z$ konvergiert, so gibt es zu einem gegebenem $\varepsilon\gt 0$ ein $n_0$, so dass $|z-z_n|\lt\varepsilon$ gilt für $n\ge n_0$. Aus der ersten Abschätzung folgt, dass dann auch $|\Re(z-z_n)|\lt\varepsilon$ und $|\Im(z-z_n)|\lt\varepsilon$ gilt für $n\ge n_0$. Es folgt $\Re(z_n)\to\Re(z)$ und $\Im(z_n)\to\Im(z)$ für $n\to\infty$. Hat man umgekehrt die Konvergenzen $\lim\Re(z_n)=a$ und $\lim\Im(z_n)=b$ und setzt $z=a+bi$, so gibt es zu einem gegebenem $\varepsilon\gt 0$ natürliche Zahlen $n_1$ und $n_2$, so dass $|a-\Re(z_n)|\lt\frac\varepsilon2$ für $n\ge n_1$ und $|b-\Im(z_n)|\lt\frac\varepsilon2$ für $n\ge n_2$ gilt. Aus der zweiten der obigen Ungleichungen folgt dann $|z-z_n|\lt \varepsilon$ für $n\ge\max\{n_1,n_2\}$.
qed

Satz 2.1.2. Die reelle Zahl $r$ sei repräsentiert durch die generische reelle Intervallschachtelung $\mathcal S$. Äquivalent für eine Folge \((r_n)\) reeller Zahlen sind:

  1. Die Folge $(r_n)$ konvergiert gegen $r$.
  2. Jede Umgebung $U$ von $r$ enthält jeweils fast alle, das heißt alle bis auf höchstens endlich viele Ausnahmen, der Folgenglieder $r_n$.
  3. Jedes Intervall $I\in\mathcal S$ enthält jeweils fast alle Folgenglieder $r_n$.

Beweis. Wir beweisen nacheinander die Implikationen $i.\implies ii. \implies iii.\implies i.$

  1. $\implies$ ii. Es sei $U$ eine Umgebung von $r$, enthält also eine $\varepsilon$-Umgebung $U_\varepsilon(r)$ für ein $\varepsilon\gt 0$. Wegen der Konvergenz der Folge gibt es ein $n_0\in \mathbb N$, so dass für $n\ge n_0$ gilt $r_n\in U_\varepsilon(r)\subset U$. Das heißt, fast alle Folgenglieder sind in $U$ enthalten.
  2. $\implies$ iii. Jedes Intervall in $\mathcal S$ ist Umgebung von $r$.
  3. $\implies$ i. Sei $\varepsilon\gt 0$ gegeben. Dann gibt es ein Intervall $I=[a,b]\in \mathcal S$ der Länge kleiner als $\varepsilon$. Nach Annahme enthält dieses Intervall fast alle Folgenglieder. Insbesondere gibt es ein $n_0\in \mathbb N$ derart dass alle Folgenglieder mit größerem Index als $n_0$ in $I$ enthalten sind. Aus $r\in I$ folgt $|r-r_n|\le |b-a|\lt \varepsilon$ für alle $n\ge n_0$.

qed

Bemerkung. Da eine Intervallschachtelung eine reelle Zahl eindeutig festlegt, ist der Grenzwert einer reellen Folge, so er exisitiert, eindeutig. Wegen Satz (2.1.1) gilt das auch für komplexe Folgen.

Korollar 2.1.3.

  • Sind die Folgen $(a_n)$ und $(b_n)$ in $\mathbb K$ konvergent, so sind auch die Folgen $(a_n+b_n)$ und $( a_n\cdot b_n)$ konvergent und es gilt \begin{aligned}\lim_{n\to\infty}(a_n+b_n)&=\lim_{n\to\infty}(a_n)+\lim_{n\to\infty}(b_n)\\\lim_{n\to\infty}(a_n\cdot b_n)&=\lim_{n\to\infty}(a_n)\cdot\lim_{n\to\infty}(b_n).\end{aligned}
  • Ist die Folge $(a_n)$ in $\mathbb K$ konvergent mit $a=\lim_{n\to\infty}a_n\not=0$ und gilt $a_n\not=0$ für alle $n\in\mathbb N$, so ist auch die Folgen $\left(\frac1{a_n}\right)$ konvergent und es gilt $\lim_{n\to\infty}\frac1{a_n}=\frac1a$.

Beweis. Im Falle reeller Folgen ist dies eine Konsequenz der Tatsache, dass Summen, Produkte und Kehrwerte generischer Intervallschachtelungen wiederum generische Intervallschachtelungen sind (Satz 1.6.12 und Beweis von 1.6.4). Konvergiert $(a_n)$ gegen $a$ und $(b_n)$ gegen $b$, repräsentiert durch generische Intervallschachtelungen $\mathcal A$ und $\mathcal B$, so enthält jedes Intervall $I\in \mathcal A$ fast alle Folgenglieder $a_n$ und jedes Intervall $J\in \mathcal B$ fast alle Folgenglieder $b_n$. Folglich enthält das Intervall $I + J\in \mathcal A+\mathcal B$ fast alle Folgenglieder $a_n+ b_n$ und entsprechend konvergiert die Folge nach $a+b$. Die Aussagen über Produkt- und Kehrwertfolge ergeben sich aus den entsprechenden Aussagen über Intervallschachtelungen in analoger Weise.
Im Fall komplexer Folgen betrachtet man jeweils Real- und Imaginärteil der Folgen, die jeweils konvergieren. Summen-, Produkt- und Kehrwertfolgen der Real- und Imaginärteile konvergieren wegen Satz (2.1.1) jeweils gegen Summen, Produkte und Kehrwerte der Real- und Imaginärteile der Grenzwerte.
qed

Beispiele.

  1. Das Konvergenzverhalten der geometrischen Folge $(c^n)$ für $c\in\mathbb C$.
    Wir betrachten die Folgen $(a_n), (b_n)$ mit $a_n=c^n$ und $b_n=c^{n-1}$, sowie die konstante Folge $(c)$. Konvergiert die Folge $(a_n)$ gegen eine komplexe Zahl $z$, so konvergiert die Folge $(b_n)$, die ja im Wesentlichen die gleiche Folge ist, ebenfalls gegen $z$. Andererseits ist $(a_n)$ die Produktfolge der Folge $(b_n)$ mit der konstanten Folge $(c)$. Es gilt für die Grenzwerte also die Gleichung \[z=c\cdot z.\]
    Ist $z\not=0$, so folgt $c=1$. Ist $|c|\ge 1$ und $c\not=1$, so ist auch $|c^n|\ge 1$. Die geometrische Folge kann in diesem Fall keine Nullfolge sein und muss, da für $c\not=0$ allein $0$ als Grenzwert infrage kommt, divergieren.
    Ist $0\le |c|\lt 1$, so existiert zu jedem $\varepsilon \gt 0$ ein $n_0\in \mathbb N$ derart, dass $|c^{n_0}|\lt \varepsilon$. Für alle $n\ge n_0$ folgt $|c^n|\le |c^{n_0}|\lt \varepsilon$. Folglich gilt $\lim_{n\to \infty}c^n=0$.
  2. Die Rechenregeln lassen sich nicht unmittelbar auf die Folge $(a_n)$ mit den Folgegliedern$$
    a_n=\frac{3n^{17}-17n^3+3}{2n^{17}-2017n^2+17}
    $$ anwenden, da im Zähler und im Nenner jeweils divergierende Folgen stehen. Teilt man aber in Zähler und Nenner durch $n^{17}$, so bekommt man den Ausdruck $$
    a_n
    =\frac{3-\frac{17}{n^{14}}+\frac{3}{n^{17}}}{2-\frac{2017}{n^{15}}+\frac{17}{n^{17}}},
    $$ bei dem im Zähler und Nenner jeweils harmlosere Folgen stehen. Wie wir gesehen haben, konvergiert die Folge $(\frac{1}{n})$ gegen Null. Durch mehrmaliges Anwenden der drei Rechenregeln können wir also schließen, dass Zähler und Nenner in der obigen Folge gegen $3$ und $2$ konvergieren und damit auch die Folge $(a_n)$ gegen $\frac{3}{2}$ konvergiert.
  3. Die Fibonaccizahlen.
    Leonardo di Pisa (Fibonacci) hat eine Zahlenfolge eingeführt, die das Wachstum einer Kaninchenpopulation beschreiben soll: \[f_0=1,\quad f_1=1,\quad f_2=2,\quad f_3=3,\quad f_4=5,\quad f_5=8,\ldots .\] Das Bildungsgesetz der Folge lautet \[f_{n+1}=f_n+f_{n-1}\quad \text{ für alle } n\ge 1.\] Man sieht induktiv, dass die Abschätzungen $f_n\le f_{n+1}\le 2f_n$ bestehen. Wir betrachten nun die Folge der Quotienten $x_n:=f_{n+1}/f_n$. Diese ist von der Form \[(x_n)_{n\ge 0}=\left(1,2,\frac32,\frac53,\frac85,\ldots\right).\] Die Rekursionsgleichung übersetzt sich in die Gleichung \[x_n=1+\frac1{x_{n-1}}.\] Wir nehmen zuerst an, wir wüssten bereits, dass die Folge konvergiert. Indem wir in der obigen Gleichung auf beiden Seiten zum Grenzwert übergehen, folgt \[\alpha=1+\frac1\alpha.\] Außerdem wissen wir, dass für alle $n$ gilt $1\le x_n\le 2$. Von den beiden Wurzeln $\frac{1\pm\sqrt{5}}2$ der quadratischen Gleichung $X^2-X-1=0$ muss $\alpha$ die positive sein, also \[\alpha=\frac{1+\sqrt{5}}2.\] Nachdem wir derart einen Kandidaten für den Grenzwert gefunden haben, zeigen wir, dass die Folge $(x_n)$ tatsächlich gegen diesen Grenzwert $\alpha$ konvergiert. Wir nutzen dabei die Gleichung $\frac{\sqrt5-1}2=\frac2{\sqrt5+1}$. Es folgt \begin{aligned}
    \left\vert x_{n+1}-\frac{\sqrt5+1}2\right\vert&=\left\vert\left(1+\frac1{ x_{n}}\right)-\frac{\sqrt5+1}2\right\vert\\
    &=\left\vert\frac1{ x_{n}}-\frac1{\frac{\sqrt5+1}2}\right\vert =\frac{|x_n-\frac{\sqrt5+1}2|}{|x_n|\cdot |\frac{\sqrt5+1}2|}\lt \frac23\left\vert x_{n}-\frac{\sqrt5+1}2\right\vert,
    \end{aligned} weil $x_n\ge 1$ und $\frac{\sqrt5+1}2\gt \frac32$. Induktiv bekommt man \[
    \left\vert x_{n+1}-\frac{\sqrt5+1}2\right\vert \lt \left(\frac23\right)^n\left\vert x_{1}-\frac{\sqrt5+1}2\right\vert.
    \]Für $n\to\infty$ geht die rechte Seite gegen $0$.
  4. Wachstum der Binomialkoeffizienten.
    Wir betrachten die Folge $(a_n)$ mit $$a_n={n\choose
    k}n^{-k}.$$ Die Terme lassen sich umformen und wir erhalten
    \begin{align*}
    \lim_{n\to\infty}{n\choose
    k}n^{-k}&=\lim_{n\to\infty}\left(\frac{n!}{k!(n-k!)!}\cdot
    n^{-k}\right)\\
    &=\frac{1}{k!}\;\lim_{n\to\infty}\left(\frac{n}{n}\cdot\frac{n-1}{n}\cdot\frac{n-2}{n}\cdot\,\cdots\,
    \cdot\frac{n-k+1}{n}\right)\\
    &=\frac{1}{k!}.
    \end{align*} Für fixiertes $k$ schreibt man \[{n\choose k}\sim \frac{n^k}{k!}\] in dem Sinne, dass das Verhältnis der beiden Ausdrücke für $n\to\infty$ gegen $1$ geht.
  5. Vorsicht Falle.
    Bei dem obigen Beispiel war es wichtig, dass die Anzahl der Faktoren, für die wir jeweils den Grenzwert betrachteten, endlich und konstant war. Sehen wir uns mal an, was sonst passieren kann. Wir betrachten die Folge $(a_n)$ mit den Gliedern \[
    a_n=\left(\left(1+\frac{1}{n}\right)\left(1+\frac{1}{n+1}\right)\left(1+\frac{1}{n+2}\right)
    \cdot\,\cdots\,\cdot\left(1+\frac{1}{2n-1}\right)\right).
    \] Jeder der Faktoren konvergiert mit $n$ gegen Unendlich gegen den Grenzwert $1$. Man könnte also vermuten, die Folge konvergierte gegen $1$. Dem ist allerdings nicht so, denn die Anzahl der Faktoren ist nicht fest, sondern wächst mit $n$. Die Folge ist tatsächlich konstant:\[
    a_n=
    \left(\frac{n+1}{n}\right)\left(\frac{n+2}{n+1}\right)\cdot\,\cdots\,\cdot
    \left(\frac{2n-1}{2n-2}\right)\left(\frac{2n}{2n-1}\right)=2.
    \]
  6. Polynomiales und exponentielles Wachstum.
    Es sei $k\in\mathbb Z$ und $a$ eine komplexe Zahl mit $|a|\lt 1$. Wir zeigen, dass $(c_n)=(n^k a^n)$ eine Nullfolge darstellt. Insbesonders gilt, dass polynomiales Wachstum unwesentlich ist im Vergleich zu dem Wachstum von Potenzen.
    Im Beweis betrachten wir zuerst den Fall $k\le 0$. Die Folge $(\frac{1}{n})^{|k|}$ ist kleiner oder gleich $1$, die Folge $|a|^n$ eine Nullfolge. Insgesamt erhalten wir eine Nullfolge.
    Sei also fortan $k\gt 0$. Wir setzen $|a|=\frac{1}{1+b}$ mit $b=\frac{1}{|a|}-1$. Aus dem binomischen Satz bekommen wir durch Weglassen der meisten, allesamt positiven, Terme für $n\ge k+1$ die Abschätzung\[
    (1+b)^n=\sum^n_{l=0}{n\choose l}b^l\ge{n\choose k+1}b^{k+1}.
    \] Die Folgenglieder $c_n$ lassen sich damit abschätzen
    \[
    |c_n|=|n^k a^n|=\frac{n^k}{(1+b)^n}\le\frac{n^k}{{n\choose
    k+1}b^{k+1}}=\frac{1}{b^{k+1}{n\choose
    k+1}n^{-(k+1)}}\cdot\frac{1}{n}.
    \] Damit können wir aber den Grenzwert berechnen:
    \begin{aligned}
    \lim_{n\to\infty}|c_n|&=\lim_{n\to\infty}|n^k
    a^n|=\frac{1}{b^{k+1}}\lim_{n\to\infty}\left(\frac{1}{{n\choose
    k+1}n^{-(k+1)}}\right)
    \cdot\lim_{n\to\infty}\left(\frac{1}{n}\right)\\
    &=\frac{1}{b^{k+1}}\cdot(k+1)!\cdot 0 = 0
    \end{aligned}

Etwas störend an dem Begriff der Konvergenz ist, dass man den Grenzwert kennen muss, um dann feststellen zu können, dass tatsächlich Konvergenz gegen diesen Grenzwert vorliegt. Abhilfe schafft der Begriff der Cauchyfolge.

Definition. Eine Folge $(c_n)$ von Zahlen in $\mathbb K$ heißt Cauchyfolge, wenn es zu jeder Toleranzgrenze $\varepsilon\gt 0$ einen Schwellenwert $n_0\in \mathbb N$ gibt, so dass für alle $n,m\ge n_0$ gilt $|c_n-c_m|\lt \varepsilon.$

Satz 2.1.4. Eine Folge in $\mathbb K$ konvergiert genau dann, wenn sie eine Cauchyfolge ist.

Beweis. Wegen Satz (2.1.1) reicht es, den Fall reeller Folgen zu betrachten. Sei zunächst $(a_n)$ eine konvergente Folge mit Grenzwert $c=\lim c_n$. Zu jedem $\varepsilon\gt 0$ existiert daher ein $n_0$ derart, dass für alle $n\ge n_0$ gilt: $|c-c_n|\lt \varepsilon/2$. Für alle $n,m\ge n_0$ folgt mit der Dreiecksungleichung \[|c_n-c_m|\le|c_n-c|+|c-c_m|\lt \frac\varepsilon2+\frac\varepsilon2=\varepsilon,\] das heißt, $(c_n)$ ist eine Cauchyfolge.
Sei nun umgekehrt $(c_n)$ eine Cauchyfolge. Es bezeichne \begin{aligned}
a_n&:= \inf\{c_k\mid k\ge n\}-\frac1n\\
b_n&:= \sup\{c_k\mid k\ge n\}+\frac1n.
\end{aligned} Es gilt offenbar $a_n\lt a_{n+1}$ und $b_{n+1}\lt b_n$. Folglich erfüllt die Menge $\mathcal S=\{[a_n,b_n]\subset \mathbb R\mid n\in \mathbb N\}$ von Intervallen die beiden ersten Bedingungen, die wir an eine generische Intervallschachtelung stellen. Außerdem enthält jedes der Intervalle $[a_n,b_n]$ per Konstruktion jeweils fast alle Folgenglieder. Ist, wie wir an dieser Stelle vermuten, $\mathcal S$ tatsächlich eine Intervallschachtelung, so repräsentiert sie damit den Grenzwert. Zu zeigen bleiben zum einen, dass die Menge der Folgenglieder beschränkt ist (damit die Definition der Intervallgrenzen überhaupt Sinn macht), zum anderen, dass die Intervalle beliebig kurz werden.
Zur Beschränktheit: Es gibt ein $n_0$ derart, dass $|c_n-c_{n_0}|\lt 1$ für alle $n\ge n_0$. Insbesondere gilt $|c_n|\le |c_{n_0}|+1
$ für alle $n\ge n_0$. Die Folge $(c_n)$ ist damit durch die Zahl $\max\{|c_k|\mid k\le n_0\}+1$ beschränkt.
Ist nun ein $\varepsilon\gt 0$ vorgegeben, so finden wir einen Schwellenwert $n_0\gt \frac3\varepsilon$, so dass $|c_n-c_m|\lt \frac\varepsilon3$ erfüllt ist für alle $m,n\ge n_0$. Aus dem folgenden Lemma (2.1.5) folgt $ \sup\{c_k\mid k\ge n_0\}-\inf\{c_k\mid k\ge n_0\}\le \frac\varepsilon3$ und folglich gilt \begin{aligned}
|b_{n_0}-a_{n_0}|&= \left(\sup\{c_k\mid k\ge n_0\}+\frac1{n_0}\right)-\left(\inf\{c_k\mid k\ge n_0\}-\frac1{n_0}\right)\\&=\left(\sup\{c_k\mid k\ge n_0\}-\inf\{c_k\mid k\ge n_0\}\right)+\frac2{n_0}\lt \frac\varepsilon3+2\frac\varepsilon3=\varepsilon.\end{aligned}qed

Lemma 2.1.5. Für eine beschränkte Teilmenge $M\subset \mathbb R$ gilt \[\sup(M)-\inf(M)=\sup\{|m-m'|\mid m,m'\in M\}.\]

Beweis. Für $m,m'\in M$ gilt $\sup(M)\ge m$ und $\inf(M)\le m'$, also auch $-\inf(M)\ge -m'$. Addition der beiden Ungleichungen liefert \(\sup(M)-\inf(M)\ge m-m'\). Die Ungleichungen gelten für alle Paare $m,m'$, also auch \(\sup(M)-\inf(M)\ge m'-m\) und damit \(\sup(M)-\inf(M)\ge |m-m'|\). Folglich ist \(\sup(M)-\inf(M)\) obere Schranke der Menge $\{|m-m'|\mid m,m'\in M\}$ und damit \[\sup(M)-\inf(M)\ge\sup\{|m-m'|\mid m,m'\in M\}.\] Zu gegebenem $\varepsilon\gt 0$ gibt es Elemente $n\in M$ mit $n\ge \sup(M)-\frac\varepsilon2$ und $n'\in M$ mit $n'\le \inf(M)+\frac\varepsilon2.$ Subtrahieren wir die beiden Ungleichungen, so erhalten wir \[\sup\{|m-m'|\mid m,m'\in M\}\ge n-n'\ge \left(\sup(M)-\frac\varepsilon2\right)-\left(\inf(M)+\frac\varepsilon2\right)= \sup(M)-\inf(M)-\varepsilon.\]Diese Ungleichung gilt für jedes $\varepsilon\gt 0$. Daraus schließen wir die Ungleichung \[\sup\{|m-m'|\mid m,m'\in M\}\ge \sup(M)-\inf(M).\] qed

Definition. Es sei $(a_n)$ eine Folge $\mathbb K$ und $(n_k)_k$ eine streng monoton wachsende Folge natürlicher Zahlen. Dann heißt $(a_{n_k})_k$ eine Teilfolge von $(a_n)$.

Definition. Es sei $(a_n)$ eine Folge $\mathbb K$. Eine Zahl $a\in \mathbb K$ heißt Häufungspunkt von $(a_n)$, wenn es zu jeder Toleranzgrenze $\varepsilon\gt 0$ und jedem $n\in\mathbb N$ ein $m\gt n$ gibt mit $a_m\in U_\varepsilon(a)$ gibt.

Mit anderen Worten: Eine Zahl $a$ ist genau dann Häufungspunkt der Folge $(a_n)$, wenn jede Umgebung von $a$ unendlich viele Folgenglieder enthält.

Lemma 2.1.6. Eine Zahl $a$ ist genau dann Häufungspunkt der Folge $(a_n)$, wenn es eine gegen $a$ konvergierende Teilfolge gibt.

Beweis. Sei $a$ Häufungspunkt. Dann gibt es zu je zwei natürlichen Zahlen $k$ und $n$ eine Zahl $N(k,n)\in \mathbb N$ mit $a_{N(k,n)}\in U_{\frac1k}(a)$ und $N(k,n)\gt n$. Wir definieren rekursiv $n_1:=N(1,1)$ und $n_{k+1}:=N(k+1,n_k)$. Dann ist $(n_k)_k$ streng monoton wachsend und $a_{n_k}\in U_{\frac1k}(a)$, es gilt also $\lim_{k\to \infty}a_{n_k}=a$.
Ist umgekehrt $a$ Grenzwert einer Teilfolge, so enthält jede Umgebung von $a$ fast alle Glieder dieser Teilfolge. Also ist $a$ Häufungspunkt der Teilfolge und damit auch Häufungspunkt der Folge selbst.
qed

Beispiele.

  • Eine konvergente Folge hat den Grenzwert als einzigen Häufungspunkt.
  • Die Folge $\left((-1)^n\right)$ hat zwei Häufungspunkte, nämlich $1$ und $-1$.
  • Ist $f:\mathbb N\to \mathbb Q + \mathbb Qi$ eine Bijektion, so ist jede komplexe Zahl Häufungspunkt dieser Folge.

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