Reelle Folgen

Definition. Eine Folge $(a_n)$ in $\mathbb R$ heißt uneigentlich konvergent mit Grenszwert $\infty$, falls für alle $r\in \mathbb R$ ein $n_0\in \mathbb N$ existiert, so dass $a_n\gt r$ für alle $n\ge n_0$ gilt. Man schreibt $\lim_{n\to \infty}a_n=\infty$. Analog definiert man $\lim_{n\to \infty}a_n=-\infty$.

Bemerkung. Manchmal bezeichnet man $\overline{\mathbb R}:=\mathbb R\cup\{-\infty,\infty\}$ als erweiterte Zahlengerade. Die Relation $\lt$ wird auf $\overline{\mathbb R}$ erweitert durch $-\infty\lt r\lt\infty$ für alle $r\in \mathbb R$. Die Rechenoperationen sind auf $\overline{\mathbb R}$ nur teilweise definiert:

  1. Für $r\in \mathbb R\cup \{\infty\}$ sei $r+\infty:=r-(-\infty):=\infty$, und für $r\in \mathbb R\cup \{-\infty\}$ sei $r-\infty:=r+(-\infty):=-\infty$.
  2. Für $r\gt0$ setzen wir $r\cdot \infty:=\infty,r\cdot (-\infty):=-\infty$ und für $r\lt 0$ entsprechend $r\cdot \infty:=-\infty,r\cdot (-\infty):=\infty$.
  3. Für alle $r\in \mathbb R$ sei $\frac{r}\infty:=\frac{r}{-\infty}:=0$.
  4. Alle anderen Ausdrücke, wie etwa $\infty-\infty, \frac\infty\infty, \frac{r}0$, sind nicht definiert und haben auch keine Bedeutung.

Definition. Eine Folge $(a_n)$ in $\mathbb R$ heißt monoton wachsend (bzw. streng monoton wachsend, monoton fallend, streng monoton fallend), falls für alle $n\in \mathbb N$ gilt: $a_n\le a_{n+1}$ (bzw. $a_n\lt a_{n+1}$, $a_n\ge a_{n+1}$, $a_n\gt a_{n+1}$). Sie heißt monoton, falls sie monoton wachsend oder fallend ist.

Satz 2.1.7. Monotone Folgen konvergieren in $\overline{\mathbb R}$, beschränkte monotone Folgen konvergieren in $\mathbb R$.

Beweis. Wir nehmen an, dass $(a_n)$ monoton wächst. Fallende Folgen behandelt man analog. Es sei $s:=\sup\{a_n\mid n\in \mathbb N\}\in \overline{\mathbb R}$. Es sind zwei Fälle möglich:

  1. Fall: $s=\infty$. Es sei dann $r\gt 0$ vorgegeben. Nach Definition des Supremums gibt es ein $n_0\in \mathbb N$ mit $a_{n_0}\gt r$ Wegen der Monotonie gilt dann $a_n\ge a_{n_0}\gt M$ für alle $n\ge n_0$. Das bedeutet aber $\lim(a_n)=\infty$.
  2. Fall: $s\in \mathbb R$. Für ein vorgegebenes $\varepsilon\gt 0$ ist $s-\varepsilon$ keine obere Schranke mehr. Es gibt also ein $n_0\in \mathbb N$ mit $s-\varepsilon\lt a_{n_0}\lt s$. Wegen Monotonie folgen für alle $n\gt n_0$ die Ungleichungen $s-\varepsilon\lt a_{n_0}\le a_n\le s$. Das bedeutet aber $\lim(a_n)=s$.

qed

Beispiel. Das Wachstum der mittleren Binomialkoeffizienten ${2n}\choose{n}$.
Wir betrachten die beiden Folgen \begin{aligned}
a_n&:=\frac1{\sqrt{n}}\cdot\prod_{k=1}^n\frac{2k}{2k-1}\\
b_n&:=\frac1{\sqrt{n+1}}\cdot\prod_{k=1}^n\frac{2k}{2k-1}
\end{aligned} und stellen fest, dass für alle $n\in \mathbb N$ gilt $a_n\gt b_n$ und weiterhin \[\lim\left(\frac{a_n}{b_n}\right)=\lim\sqrt{\frac{n+1}{n}}=1.\] Falls also eine der beiden Folgen konvergiert, so auch die andere und zwar gegen denselben Grenzwert. Aus der Ungleichung \[
\left(\frac{a_{n+1}}{a_n}\right)^2=\left( \frac{2n+2}{2n+1}\sqrt{\frac{n}{n+1}} \right)^2=\frac{4n^2+4n}{4n^2+4n+1}\lt 1
\] folgt, dass $(a_n)$ monoton fällt. Analog sieht man, dass $(b_n)$ monoton steigt. Die fallende Folge und die steigende Folge beschränken sich gegenseitig und sind folglich konvergent mit Grenzwert $p:=\lim(a_n)=\lim(b_n)$. Wir formen $a_n$ etwas um: \[
a_n=\frac1{\sqrt{n}}\cdot\prod_{k=1}^n\frac{2k}{2k-1}=\frac1{\sqrt{n}}\cdot\left(\prod_{k=1}^n\frac{2k}{2k-1}\right)\cdot\left(\prod_{k=1}^n\frac{2k}{2k}\right)=\frac1{\sqrt{n}}\cdot\frac{(2^n\cdot n!)^2}{(2n)!}=\frac{2^{2n}}{{{2n}\choose{n}}\sqrt{n}}.
\] Das Wachstum der mittleren Binomialkoeffizienten lässt sich also approximativ beschreiben \[
{{2n}\choose{n}}\sim\frac{4^n}{p\sqrt{n}}
\] in dem Sinne, dass das Verhältnis der beiden Ausdrücke für $n\to\infty$ gegen $1$ strebt.

Inoffizielle Mitteilung. Tatsächlich stellt sich heraus $p=\sqrt{\pi}$.

Es sei nun $(a_n)$ eine nach oben beschränkte Folge reeller Zahlen und \[b_n:=\sup\{a_k\mid k\ge n \}.
\] Aus der Definition ist sofort klar, dass $b_n\ge b_{n+1}$ gilt, das heißt die Folge $(b_n)$ fällt monoton. Daher konvergiert sie eigentlich oder uneigentlich in $\overline{\mathbb R}$.

Definition. Unter dem Limes superior einer Folge $(a_n)$ in $\mathbb R$ versteht man den folgenden Punkt in $\overline{\mathbb R}$:\[
\limsup(a_n):=\inf\{\sup\{a_k\mid k\ge n\}\mid n\in \mathbb N\},
\] falls $(a_n)$ nach oben beschränkt ist, und \[\limsup(a_n):=\infty
\]andernfalls. Analog ist der Limes inferior gegeben durch \[
\liminf(a_n):=\sup\{\inf\{a_k\mid k\ge n\}\mid n\in \mathbb N\},
\] falls $(a_n)$ nach unten beschränkt ist, und andernfalls\[\liminf(a_n):=-\infty.
\]

Eigenschaften der Limites superior 2.1.8. Es sei $(a_n)$ eine Folge reeller Zahlen.

  1. Es gilt $\limsup(a_n)=-\liminf(-a_n).$
  2. Es ist $\limsup(a_n)=\infty$ genau dann, wenn $(a_n)$ nach oben nicht beschränkt ist.
  3. Es ist $\limsup(a_n)=-\infty$ genau dann, wenn die Folge $(a_n)$ uneigentlich gegen $-\infty$ konvergiert.
  4. Ist $\limsup(a_n)\in \mathbb R$, so ist dieser Wert ein Häufungspunkt von $(a_n)$.
  5. Für jeden Häufungspunkt $a$ der Folge $(a_n)$ gilt $a\le \limsup(a_n)$.

Analoge Aussagen zu 2.-5. übertragen sich durch Anwendung von 1. auf den Limes inferior.

Beweis.

  1. Für jede Teilmenge $M\subset \mathbb R$ gilt $\sup\{M\}=-\inf\{-m\mid m\in M\}$. Die Aussage folgt.
  2. Gilt nach Definition.
  3. Die Folge ist nach oben beschränkt und mit $b_n=\sup\{a_k\mid k\ge n\}$ gilt folglich $\limsup(a_n)=\lim(b_n)=-\infty$. Für jedes $r\gt 0$ existiert daher ein $n$ mit $b_n\lt -r$. Nach Definition von $b_n$ folgt $a_k\le b_n\lt -r$ für alle $k\ge n$. Das zeigt $\lim(a_n)=-\infty$.
  4. Es sei $U_\varepsilon(s)$ eine $\varepsilon$-Umgebung von $s=\limsup(a_n)=\lim(b_n)$. Dann existiert ein $n_0$ so, dass für alle $n\ge n_0$ die Folgenglieder $b_n$ in $U_\varepsilon(s)$, genauer gilt sogar $s\le b_n\lt s+\varepsilon$, da die Folge $(b_n)$ monoton fällt. Nach Definition von $b_n$ existiert ein $k_n\ge n$ mit \[
    s-\varepsilon\le b_n-\varepsilon\lt a_{k_n}\le b_n\lt s+\varepsilon,\] also $a_{n_k}\in U_\varepsilon(s)$. Es gilt in jeder $\varepsilon$-Umgebung von $s$ also unendlich viele Folgenglieder $a_{n_k}$. Somit ist $s$ Häufungspunkt.
  5. Ist $a\gt s$, so sind fast alle der $b_n$ kleiner als $\frac{a+s}2=s+\frac{a-s}2=a-\frac{a-s}2$ und damit auch fast alle der Folgenglieder $a_n\le b_n$. Damit kann $a$ kein Häufungspunkt sein.

qed

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