Anordnung

Das Konzept Genauigkeit geht einher damit, dass zwischen rationalen oder reellen Zahlen Größenbeziehungen bestehen, dass die Körper $\mathbb R$ und $\mathbb Q$ angeordnet sind. Wir formulieren diese Eigenschaft, geordnet zu sein, für allgemeine Mengen.

Definition. Eine Ordnung \(\lt\) auf einer Menge \(M\) ist eine Relation mit folgenden Eigenschaften:

  1. Sind \(m\) und \(m'\) Elemente von \(M\), so gilt genau eine der drei Aussagen:\[m\lt m',\quad\quad m=m', \quad\quad m'\lt m.\]
  2. (Transitivität) Sind \(m,m',m''\) Elemente von \(M\), so folgt aus \(m\lt m'\) und \(m'\lt m''\) stets \(m\lt m''\).

Der Bequemlichkeit halber schreibt man oft \(m'\gt m\) anstelle von \(m\lt m'\). Die Schreibweise \(m\le m'\) besagt, dass \(m\lt m'\) oder \(m=m'\) gilt.

Eine Ordnung auf einem Körper zu definieren macht natürlich nur Sinn, wenn Multiplikation und Addition die gegebene Ordnung respektieren. Wir müssen klären, in welcher Weise dies gelten soll:

Definition. Ein geordneter Körper \(\mathbb K\) ist ein Körper, versehen mit einer Ordnung \(\lt\) derart, dass für alle Elemente \(a,b,c\) in \(\mathbb K\) gilt:

  1. Ist \(a \lt b\), so gilt auch \((a+c)\lt(b+c)\),
  2. ist \(a \gt 0\) und \(b\gt0\), so gilt auch \(a\cdot b\gt 0\).

Ein Element \(a\gt 0\) nennt man positiv. Analog nennt man ein Element \(b\) negativ, wenn gilt \(b\lt 0\).

Die Ordnung auf einem geordneten Körper ist vollständig bestimmt durch die Angabe der positiven Elemente: Wendet man die erste Regel an auf \(c=-a\) so erhält man, dass die Ungleichung \(a\lt b\) genau dann gilt, wenn \(b-a\) positiv ist.

In einem geordneten Körper gelten vertraute Rechenregeln:

1.6.1. Satz. Folgende Rechenregeln gelten für Elemente \(a,b,c\) in einem geordneten Körper:

  1. Ist \(a\) positiv, so ist \(-a\) negativ.
  2. Ist \(a\) positiv und \(b\lt c\), so gilt \(ab\lt ac\).
  3. Ist \(a\) negativ und \(b\lt c\), so gilt \(ab\gt ac\).
  4. Ist \(a\not=0\), so ist \(a^2\) positiv. Insbesondere gilt \(1\gt 0\).
  5. Ist \(0\lt a\lt b\), so folgt \(0\lt \frac1b\lt \frac1a\).

Wir benutzen im Beweis die folgenden Aussagen über das Rechnen in Körpern:

  • Additive und multiplikative Inverse in Körpern sind eindeutig bestimmt. Sind nämlich \((-a)\) und \((-a)'\) additive Inverse zu \(a\), so gilt \[(-a)=(-a)+0=(-a) +\left(a+(-a)'\right)= \left((-a)+a\right)+(-a)'=0+(-a)'=(-a)'.\] Hier werden nacheinander benutzt: Neutrales Element der Addition, die Annahme, \((-a)'\) sei Inverses zu \(a\), Assoziativität, die Annahme \((-a)\) sei Inverses zu \(a\), Neutrales Element der Addition. Die Argumentation für mulitplikative Inverse ist völlig analog [1].
  • Es gilt \(0\cdot a =0\) und \((-a)b = -(ab)\) und insbesondere \((-1)a=-a\) sowie \((-1)(-1)=1\). Die erste Aussage folgt aus der Gleichungskette \[\begin{align*}0&=0\cdot a +(-0\cdot a)=(0+0)\cdot a +(-0\cdot a)=\left(0\cdot a+0\cdot a\right)+(-0\cdot a)\\&=0\cdot a+\left(0\cdot a+(-0\cdot a)\right)=0\cdot a+0=0\cdot a\end{align*}\] Hier werden nacheinander benutzt: Existenz eines additiven Inversen, Neutrales Element der Addition, Distributivität, Assoziativität der Addition, Existenz eines additiven Inversen, Existenz eines Neutralen Elements. Die Gleichungskette \[0=0\cdot b=\left(a+(-a)\right)\cdot b=ab+(-a)b \] gilt wegen dem gerade Bewiesenem, Inversem Element der Addition und Distributivität. Wegen der Eindeutigkeit des additiven Inversen folgt die behauptete Gleichung \((-a)b = -(ab)\).

Beweis des Satzes.

  1. Ist \(a\) positiv, so ist \(0= a -a \gt 0 -a =-a\).
  2. Aus \(b\lt c\) erhalten wir \(0 \lt c-b\) und mit \(0\lt a\) folglich \(0\lt a(c-b)= ac -ab\). Daraus schließen wir \(ab\lt ac\).
  3. Aus \(b\lt c\) erhalten wir \(0 \lt c-b\) und mit \(0\gt a\) und folglich \(0\lt -a\) erhalten wir \[ (-a)(c-b)\gt 0 .\] Daraus folgern wir \( a(c-b)=-\left((-a)(c-b)\right)\lt 0 \) und schließlich \(ac\lt ab\).
  4. Ist \(a\) positiv, so folgt \(a^2\gt 0\). Ist \(a\) negativ, so ist \(-a\) positiv und folglich auch \[(-a)^2=\left((-1)a\right)^2=(-1)^2a^2=a^2.\]
  5. Ist \(b\) positiv und \(c\) nicht positiv, so ist \(bc\) nicht positiv. Da \(b\cdot \frac1b=1\) jedoch positiv ist, muss auch \(\frac1b\) positiv sein. Die behauptete Gleichung erhält man, wenn man beide Seiten der Ungleichung \(a\lt b\) mit dem positiven Element \(\frac1a\frac1b\) multipliziert.

qed

Die folgende Aussage ist eine schöne Übung in diesen etwas abstrakten Begriffen:

1.6.2. Lemma. Das Komplement der Null eines Körpers \(\mathbb K\) zerlege sich in disjunkte Mengen \(P\) und \(M\). Angenommen, es gilt

  • Addition und Multiplikation von Elementen von \(P\) ergeben Elemente von \(P\).
  • Die Elemente von \(M\) sind die additiven Inversen der Elemente von \(P\)

Dann existiert eine Ordnung, die \(\mathbb K\) zu einem geordneten Körper macht, in dem \(P\) die Menge der positiven Elemente ist.

Mit Hilfe dieses Lemmas kann man das folgern, was man intuitiv schon seit jeher weiß: Der Körper \(\mathbb Q\) der rationalen Zahlen ist ein geordneter Körper; die positiven Zahlen sind die Äquivalenzklassen von Elementen \(\frac{z}n\) mit Zähler \(z\in \mathbb N\) in den natürlichen Zahlen.

Definition. Der absolute Betrag $|a|$ einer Zahl $a$ in einem geordneten Körper ist gegeben durch
$$
|a|=
\begin{cases}
a&\gt\\
0,\qquad\text{falls}\; a& = 0 \;\text{ist}.\\
-a&\lt \\
\end{cases}
$$

1.6.3. Bemerkung. Aus den Rechenregeln erhalten wir folgende Eigenschaften des Absolutbetrages:

  • $|ab|\;=\; |a|\;|b|$
  • $|a+b|\;\le\; |a|+ |b|$
  • $\left||c|-|d|\right|\;\le\; |c-d|$

Beweis. Die erste Formel folgt unmittelbar. Der Absolutbetrag von \(a\) ist die größere der beiden Zahlen \(a\) und \(-a\). Entsprechend ist die Zahl \(|a+b|\) die größere der beiden Zahlen \(\pm(a+b)\). Erweitert man die Anzahl der betrachteten Zahlen, betrachtet also statt der zwei Zahlen \(\pm(a+b)\) die vier Zahlen \(\pm{a}\pm{b},\) so ist die größte darunter mindestens genauso groß. Wegen \[\pm{a}\pm{b}\le|a|+|b|\] folgt damit die zweite Formel. Setzt man in der soeben bewiesenen Ungleichung $b=c-d$ und $a=d$, so erhält man $$
|c|-|d|\le|c-d|.
$$ Setzt man $b=c$ und $a=d-c$, so gilt $$
|d|-|c|\le |d-c|=|c-d|.
$$ Der Absolutbetrag $\left||c|-|d|\right|$ bezeichnet die größere der beiden Zahlen $|c|-|d|$ und $|d|-|c|.$ Aus den beiden soeben gefundenen Ungleichungen ergibt sich also insgesamt die dritte der drei Rechenregeln. qed

Aus den Anordnungsaxiomen folgt, dass es unter endlich vielen Zahlen $a_1,a_2,\ldots,a_n$ in einem angeordneten Körper stets eine kleinste und größte Zahlen gibt. Die kleinste Zahl nennt man das Minimum, die größte das Maximum der $a_i$ und schreibt kurz $$\min(a_1,\ldots,a_n),\quad \max(a_1,\ldots,a_n).$$

Dagegen gibt es unter den unendlich vielen Zahlen $-1,-2,-3,\ldots$ keine kleinste. Es gibt noch nicht einmal eine reelle Zahl, die kleiner als alle diese Zahlen ist. Man sagt, die Menge der negativen ganzen Zahlen sei nach unten unbeschränkt.

Definition. Eine Menge $X$ von Zahlen in einem geordenten Körper heißt nach unten beschränkt, falls es eine Zahl $s_1\in \mathbb K$ gibt, so dass $s_1\le x$ gilt für alle Zahlen $x\in X$. Eine solche Zahl heißt untere Schranke von $X$. Analog heißt $X$ nach oben beschränkt, wenn es eine obere Schranke $s_2\in\mathbb K$, das heißt es gilt \(s_2 \ge x\) für alle \(x\in X\). Die Menge $X$ heißt beschränkt, wenn sie sowohl nach unten wie nach oben beschränkt ist.

Die Menge $X=\{1,\frac{1}{2},\frac{1}{3},\frac{1}{4},\ldots\}$ der Reziproken der natürlichen Zahlen ist nach oben durch $1$, nach unten durch $0$ beschränkt, aber es gibt keine kleinste Zahl in $X$. Die Zahl $0$ ist allerdings unter den unteren Schranken die größte. Wir haben dafür einen extra Namen:

Definition. Eine Zahl heißt untere Grenze oder Infimum einer Menge $X$ von Zahlen in einem geordneten Körper, falls sie untere Schranke von $X$ ist und größer ist als jede andere untere Schranke von $X$. Genauso heißt die kleinste obere Schranke einer Menge $X$ obere Grenze oder Supremum. Die mathematischen Kürzel dafür lauten $\inf(X)$ beziehungsweise $\sup(X)$.

------
[1] Wer's glaubt, wird selig. Wer's nicht glaubt, rechnet nach.

Unterstützt von Drupal